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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Tage.«
    »Glauben Sie?«
    »Hm.«
    »Dann warte ich noch.« Sie hielt inne. »Sind Sie nicht der Ansicht, dass Henri auf all das vielleicht etwas zu – melodramatisch reagiert hat?«
    »Nun, der Mann, den sie heiraten wollte, ist gestorben. Davor war sie in dem Glauben, er habe ihr Vertrauen missbraucht.«
    »Trotzdem, ich meine, dass sie viel zu viel Aufmerksamkeit bekommt – und das war schon immer so.«
    »Eifersüchteleien unter Schwestern?«, fragte Wilder und versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken.
    »Bestimmt nicht!«
    »Nicht mal ein kleines bisschen?«
    »Mr Wilder! Schon die Andeutung beleidigt mich zutiefst! Meine Schwester ist mir lieb und teuer!«
    »Das bezweifele ich nicht, wenn sie doch endlich aufhören würde, um ihren toten Seemann zu trauern …«
    »Das habe ich nicht gesagt!«
    »Vielleicht nicht, aber gedacht haben Sie es.«
    »Mr Wilder! Wie können Sie mich nur für so herzlos halten? Ich glaube, Sie – wie auch Frank Beacher – sind in meine Schwester verliebt.« Mit einer kecken Kopfbewegung wandte sie sich von ihm ab, hieb dem Pferd die Fersen in die Flanken und galoppierte los. Sofort setzte Mr Wilder der jungen Frau nach. Erdklumpen flogen durch die Luft, als Cassandras Stute mit fliegenden Hufen über die Anhöhe galoppierte.
    Kurz darauf erklommen sie den nächsten Hügel, und sowie sie die Kuppe erreichten, gewährten sie den Tieren wieder etwas Pause. Sowohl Wilder als auch Cassandra hatten gerötete Wangen und lachten.
    »Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein, Mr Wilder. Ihre Neigung, mir meine Fehler und Schwächen vorzuhalten, ist eine unliebsame Eigenschaft von Ihnen.«
    »Dann bevorzugen Sie also Schmeicheleien?«
    »Ja, je ausgefallener und ausgeschmückter sie sind, desto besser gefallen sie mir.«
    »Dann erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, dass ich Ihre Ergebenheit Ihrer Schwester gegenüber in der Stunde ihrer schwersten Prüfung für vorbildlich erachte, ja für selbstlos. Ich bin überrascht, dass sie noch nicht vor Ihnen auf die Knie gesunken ist, von Dankbarkeit erfüllt, für die Opfer, die Sie bereit sind, für sie zu bringen.«
    »So sollte ein Gentleman sprechen! Fahren Sie fort, Mr Wilder. Ich bin mir sicher, dass Sie den Katalog meiner Tugenden in so kurzer Zeit noch nicht annähernd heruntergebetet haben können.«
    »Oh, Miss Cassandra, ich habe ja eben erst begonnen. Habe ich schon Ihr exzellentes Auffassungsvermögen erwähnt?«
    »Nein, aber das sollten Sie nachholen.«
    »Ich vermag nicht zu sagen, ob ich über die sprachlichen Mittel verfüge, um der Überlegenheit Ihres Geistes gerecht zu werden.«
    »Ich glaube, wenn Sie nur lange genug nachdenken, so werden Sie sich selbst übertreffen. Ihre Familie wäre stolz auf Sie.«
    »Und meine Familie möchte ich natürlich nicht enttäuschen.« Er gab vor, einen Moment über die Sache nachzudenken. »Nun, ich bin überzeugt davon, dass Ihnen niemand in Klugheit, Urteilsvermögen, Cleverness, Scharfsinn und Weisheit ebenbürtig ist, von Ihrer Genialität ganz zu schweigen.«
    »Mr Wilder! Ich bin fast geneigt, zu glauben, dass Sie mir mit Ihrem Auffassungsvermögen nahezu ebenbürtig sind.«
    »Und dann wäre da noch Ihr Urteilsvermögen, sobald Sie bei Dingen wie ›Aufmerksamkeit‹ abwägen, wer wie viel davon erhält. In dieser Hinsicht, das sage ich mit Überzeugung, ist Ihnen keiner gewachsen. Ich sollte vielleicht noch hervorheben, dass Ihre innere Waage so perfekt austariert und Ihr Geist so geschärft ist, dass nichts Ihrer Aufmerksamkeit entgeht. Alles wird sorgsam abgewägt und in ein Rechnungsbuch eingetragen.«
    »Von dieser Art Schmeichelei bin ich nicht so entzückt wie von der vorigen.«
    »Habe ich denn schon Ihre Schönheit gepriesen, Miss Cassandra?«
    »Nicht so häufig, wie sie es verdient hätte.«
    »Sie werden verstehen, dass ein Gentleman sich einem solchen Thema mit Taktgefühl nähert.«
    »Meine Schönheit ist so augenfällig, da kommt es gar nicht erst zu Taktlosigkeiten – so sagte man mir jedenfalls.«
    »Aber ganz gewiss. Zu allererst sollte ich vielleicht betonen, Miss Cassandra, dass Ihre Nase die vollkommenste Erhebung in ganz Südengland ist.«
    Cassandra lachte. »Mr Wilder! Jetzt übertreiben Sie aber! Meine Nase kann noch nicht einmal mit der vollkommensten Erhebung in Kent mithalten!«
    »Ich übertreibe nie«, betonte er, als sei er ein wenig beleidigt, dass sie so etwas auch nur in Erwägung ziehen könnte.
    »Vergeben Sie mir. Ich weiß gar nicht, was mich verleitet

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