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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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für möglich gehalten, dass die Schwermut so stark von ihr Besitz ergreift.« Sie sah Mr Beacher an, der sich das alles sehr ernst anhörte. »Sie haben noch gar nicht wieder mit ihr gesprochen?«
    »Seit einigen Tagen nicht – seit Sie die Nachricht von Kapitän Hertle erhielten.«
    »Wenn es Sie tröstet, Mr Beacher, sie hat während der letzten Tage von Ihnen mit Zuneigung und Anteilnahme gesprochen.«
    »Ich bin wahrlich nicht derjenige, der jetzt Trost braucht, Mrs Hertle. Es war auch nicht meine Absicht, von Ihnen zu erfahren, wie Henrietta über gewisse Dinge denkt, obwohl es wichtig für mich wäre. Ich bin wirklich nur um Henriettas Wohlergehen besorgt. Wenn ich irgendetwas für sie tun kann, so lassen Sie es mich wissen.«
    Elizabeth kam der Gedanke, ihm vorzuschlagen, er möge sich für zwei Wochen eine andere Unterkunft suchen, damit Henrietta sich nicht gedrängt fühlte, ihm eine Antwort zu geben – ahnte Elizabeth doch, unter welchem Erwartungsdruck ihre Cousine stand. Aber ein solcher Vorschlag würde Mr Beacher gewiss sehr verletzen, und das wollte Elizabeth nicht. Es stimmte, Frank war wirklich ein netter Mann, dessen Gefühle niemand verletzen wollte.
    »Ich weiß nicht, ob im Augenblick überhaupt jemand etwas für Henrietta tun kann. Sie muss ihren Kummer überwinden, aber Kummer und Gram sind wie ein schleichendes Gift der Seele, Mr Beacher – die einzige Arznei dagegen ist die Zeit.« Eine Bewegung drüben auf einer der kleineren Anhöhen erregte ihre Aufmerksamkeit. »Ist das nicht Cassandra?«, fragte sie und deutete über die Baumwipfel hinweg.
    Zweifellos saß dort eine Frau im Sattel eines Pferds, und plötzlich löste sich aus einer Gruppe Buchen ein weiterer Reiter, diesmal ein Mann.
    »Und Wilder«, bemerkte Beacher.
    »Sie sind beide gute Reiter«, stellte Elizabeth fest.
    »Nun, wenn man die Absicht hat, ferne Länder zu bereisen, ist es gewiss von Vorteil, wenn man reiten kann.«
    »Vielleicht sogar auf Elefanten oder Dromedaren, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie man das je lernen will.«
    »Wenn die beiden Geburtstag haben, schenke ich ihnen zwei Dromedare«, meinte Frank und brachte Elizabeth zum Lachen – sie hatte seit Tagen nicht mehr gelacht, wie sie jetzt feststellte.
    Beacher blieb auf einmal stehen. »Sie werden Henrietta doch ausrichten, dass ich sehr besorgt um sie bin?« Er überlegte. »Und was die Antwort auf meine Frage betrifft – sie braucht sich darum nicht zu kümmern, bis sich ihr Herz und ihr Geist richtig erholt haben.«
    »Ihre Geduld in dieser Angelegenheit, Mr Beacher«, sagte Elizabeth anerkennend, »ist – ist ausgesprochen edelmütig.«
    »Es ist das Mindeste, was Henrietta von mir erwarten darf.« Wieder schien er zu überlegen. »Ich nehme an, dass man mich bald für einen Narren halten wird – andererseits, als wir über derlei Belange sprachen, hat Wilder mir versichert, dass er mich in dieser Hinsicht schon seit Jahren für einen Narren hält.«
    »Aber nicht doch, Mr Beacher«, versicherte Elizabeth ihm, doch natürlich war es gelogen.
    »Ein Glück, dass wir ihn los sind. Ja, ja, ich weiß«, fügte Cassandra hinzu, »wir haben ihm alle unrecht getan, und zweifellos war er ein tapferer Mann und hat England pflichtbewusst gedient. Aber wäre er meiner Schwester ein guter Ehemann gewesen? Ich jedenfalls hätte da so meine Zweifel. Henrietta braucht einen Mann, der seine Zeit mit ihr zu Hause verbringt, damit er all ihre Vorzüge und Eigenschaften auch zu würdigen weiß.«
    »Also ein ihr ergebener Bewunderer?«, fragte Wilder.
    Im leichten Galopp hatten sie die Anhöhe genommen und ritten nun langsam nebeneinander, damit die Pferde wieder zu Atem kamen – was nicht nötig gewesen wäre, da Cassandra und Wilder bereits den ganzen Morgen nebeneinander geritten waren, um sich besser unterhalten zu können.
    »Etwas mehr als nur einen Bewunderer. Henrietta ist ein Geschöpf, das ein Recht auf höchste Bewunderung hat, finden Sie nicht?«
    »Ganz und gar, und mein Freund Beacher wäre da gewiss genau der Richtige.«
    »Das leider traurige Ende des Marineoffiziers hat ihm den Weg freigemacht. Je eher Henrietta sich in dieser Angelegenheit wieder fängt, desto besser werden sich Mr Beacher und sie verstehen. Und genau das werde ich ihr sagen, wenn sie sich etwas erholt hat. Vielleicht morgen.«
    »Ich bin mir sicher, dass Mr Beacher Ihre Absichten zu schätzen weiß, aber Sie sollten vielleicht noch ein wenig warten – sagen wir vierzehn

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