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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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was hast du dich also entschieden, meine Liebe? Für Wissen oder die Zufriedenheit?«
    »War das meine Entscheidung? Oder die von jemand anderem?« Sie sah ihre Cousine fast flehentlich an. »Was glaubst du, Lizzie, für was habe ich mich entschieden?«
    Elizabeth schüttelte den Kopf und sagte einen Moment lang nichts. »Als ich heiratete«, begann sie mit leicht traurigem Unterton, »war mir nicht bewusst, dass ich mein Herz mit in den Krieg schicken würde – und zwar häufiger, als mir lieb sein kann.« Sie holte Luft, aber sie weinte nicht. »Ich weiß nun aus Erfahrung, wie viel mir ohne mein Herz fehlt. Du hast eine kluge Wahl getroffen, meine Liebe. Ich – ich habe nichts anderes erwartet.«
    »Hältst du mich für feige?«
    Elizabeth suchte Henriettas Blick und lächelte bitter. »Weil du nicht möchtest, dein Herz aufs Spiel zu setzen? Das ist doch eine sehr vernünftige Entscheidung.« Tränen traten in ihre Augen. Mit Mühe flüsterte sie: »Ich weiß nur nicht, ob es wirklich möglich ist.«

K APITEL VIERZEHN
    Als Hayden in der Frühe aufwachte, war noch nichts im Haus zu hören. Also blieb er eine ganze Weile liegen, spürte in der Dämmerung, wie sich sein schlechtes Gewissen regte, und dachte an Henrietta. Er versuchte sich einzureden, dass sie sich einander entfremdet hatten und dass es daher Henrietta nichts anging, was sich zwischen Madame Adair und ihm abgespielt hatte. Aber natürlich wusste er, dass diese »Entfremdung«, die er sich einredete, nur auf ein Missverständnis zurückzuführen war, welches er in einem Gespräch unter vier Augen aus der Welt schaffen könnte. Er glaubte indes nicht, dass er unter den gegebenen Umständen falsch gehandelt hatte, aber andererseits kam es einem Treuebruch gleich. Und als solchen würde Henrietta es auch auffassen. Gewiss, bei der Seele seiner Mutter hatte er Madame Adair versprochen, das Geheimnis für sich zu behalten, bis ans Ende seiner Tage. Henrietta würde nie davon erfahren – aber er wusste es, und das drückte auf sein Gewissen. Er fühlte sich schlecht und wertlos.
    Woher habe ich bloß dieses schäbige Ehrgefühl eines Schuljungen? , schalt er sich.
    Schon bald war ihm bewusst geworden, dass Madame Adair mit ihrem Vorhaben nur geringe Aussicht auf Erfolg hatte. Soweit Hayden in diesen Dingen bewandert war, konnten ein Mann und eine Frau, die ein Kind haben wollten, jede Nacht beieinander liegen, ohne Erfolg zu haben. Aber wenn das Kind nicht das ersehnte Ziel war, reichte oft eine einzige Nacht, und schon war es geschehen. Die arme Madame Adair – binnen eines Monats würde ihre List ans Licht kommen. Er wusste,
    dass sie darauf hoffte, der Irrsinn in Paris möge bis dahin vorüber sein. Aber er befürchtete, dass sie einer Wunschvorstellung erlag. Gewiss würde die Guillotine noch eine ganze Weile ihrer schrecklichen Pflicht nachkommen …
    Sowie Hayden hörte, dass sich unten im Haus etwas tat, stand er auf, erschöpft vom Schlafmangel und voller Sorge, was der Tag bringen mochte.
    Madame Adair hatte bereits die Frühmahlzeit eingenommen, als Hayden die Treppe nach unten ging. Eine Magd war im Begriff, die kleine Charlotte zu Nachbarn zu bringen, was dem Mädchen offensichtlich gar nicht gefiel.
    »Aber wieso muss ich fort, Mama? Du weißt doch, wie sehr ich sie hasse.«
    »Jetzt quäl mich nicht mit deinen Fragen, Kind. Du hast immer wieder Ausreden gefunden, aber diesmal musst du hingehen. Das gebietet schon die Höflichkeit.« Sie brachte die Kleine, die zum Widerspruch ansetzte, mit erhobener Hand zum Schweigen. »Wenn du dich noch länger weigerst, musst du nächste Woche wieder hin, hast du mich verstanden?«
    Charlotte gab schließlich nach, verzweifelt und verwirrt von der seltsamen Logik der Erwachsenen.
    Die Sonne war eben aufgegangen, als die arme Charlotte von Bediensteten weggebracht wurde. Madame Adair deutete einen Knicks in Haydens Richtung an, mied indes seinen Blick und ließ sich nichts anmerken, was auf Vertraulichkeiten hätte hinweisen können. Dann entschuldigte sie sich und trug einer Magd auf, dem Kapitän die Frühmahlzeit im Garten zu servieren.
    Kurz darauf setzte sich Hayden an einen kleinen Tisch unter einer blühenden Kastanie und blickte auf die Straße in der Ferne, die sich in nördlicher Richtung nach Brest wand. Von dort würden die Jakobiner kommen – aber wenn Madame Adair mit ihren Vermutungen richtig lag, würden sie bis zur Dunkelheit warten. In diesen Landstrichen hatte es bereits Aufstände

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