Zu feindlichen Ufern - [3]
französische Offizier erhoben und kam auf ihn zu. Archer war aufgesprungen und hatte Gould beim Arm gepackt.
»Das ist nicht Kapitän Hayden«, sagte er zu dem Midshipman. »Wie kommen Sie nur darauf? Sehen Sie denn nicht, dass das ein Franzose ist? Die Sonne hat Ihnen wohl das Hirn verbrannt.«
Der französische Offizier musterte Hayden von Kopf bis Fuß. »Wer sind Sie, Sir?«, forschte er nach.
»Ich bin Capitaine Gil Mercier«, behauptete Hayden und gab sich selbstbewusst, auch wenn ihm das Herz bis zum Halse schlug. »Ich war als Gast von Capitaine Lacrosse an Bord der Droits de l’Homme . Diese Anglais dort waren Gefangene. Daher erkennen sie mich wieder, aber offenbar kennen sie meinen Namen nicht.«
Der Franzose bedeutete Leutnant Archer, vorzutreten, und fragte dann: »Kennen Sie diesen Mann?«
»Ja«, erwiderte Archer auf Französisch, doch sein Akzent war schaurig. »Er segelte mit Capitaine Lacrosse und erlitt Schiffbruch mit allen anderen. Capitaine Mercier. Er hat vielen Männern das Leben gerettet, Monsieur , wir stehen tief in seiner Schuld.«
»Aber wie hat ihn dieser Mann dort genannt?« Er gab einem seiner Soldaten ein Zeichen. »Bringt diesen Anglais zu mir.«
Zwei Soldaten zogen Gould auf die Füße und führten ihn vor den Offizier.
»Fragen Sie ihn, wie er Capitaine Mercier genannt hat«, befahl der Franzose Archer.
Der Leutnant kam der Aufforderung nach und wiederholte schließlich: »Hayden, Monsieur . Er nannte ihn Hayden und er entschuldigt sich, dass er nicht wusste, wie Capitaine Mercier heißt. Es tut ihm sehr leid, es war ein Versehen.«
In diesem Moment trat Madame Adair aus dem Haus, worauf der Offizier sich kurz vor ihr verbeugte. »Madame, kennen Sie diesen Mann hier?« Er deutete auf Hayden.
»Gewiss, ja. Man brachte ihn vor ein paar Tagen hierher. Er war auf dem Wrack gewesen, und wir alle glaubten, er sei tot. Es ist ein Wunder, dass er noch unter uns weilt. Sein Name ist Mercier, Monsieur , Capitaine Gil Mercier.« Sie sah Hayden in die Augen und wirkte mit einem Mal besorgt. » Capitaine? Geht es Ihnen gut? Bringt einen Stuhl!«, rief sie einem der Bediensteten zu, die Wasser austeilten. »Setzen Sie sich, Capitaine . Sie sind noch nicht kräftig genug, um so eine weite Strecke zu laufen. Bitte – setzen Sie sich.«
Hayden sank schwer auf den Stuhl. Ihm war schwindlig und heiß.
Selbst der Armeeoffizier blickte besorgt drein.
»Dann sind Sie also sicher, dass er Capitaine Mercier ist?«
»Der Doktor hier aus der Gegend brachte ihn zu meinem Hof. Er war am Strand, als das Schiff an den Felsen zerbrach. Soll ich Ihnen die Uniform von Capitaine Mercier zeigen, Monsieur ? Sie ist in seinem Zimmer.«
Er lehnte kopfschüttelnd ab. »Das wird nicht nötig sein, haben Sie Dank, Madame. Bitte um Verzeihung, Capitaine . Ich wünsche Ihnen baldige Genesung.« Der Franzose nahm wieder auf dem Stuhl Platz und sprach leise mit einem seiner Soldaten.
Hayden hätte sich am liebsten ins Haus zurückgezogen – fort von den Blicken seiner Männer. Er wollte unbedingt wissen, wer alles überlebt hatte, durfte aber nicht zu auffällig zu den Männern im Schatten der Bäume hinüberstarren.
Madame Adair trug einem Bediensteten auf, Hayden Wasser zu bringen, und das half ein wenig. Soweit Hayden das auf den ersten Blick beurteilen konnte, glaubte er erkennen zu können, dass seine Leute genauso erschöpft aussahen wie er. Daher war er froh, als er sah, dass man die Crewmitglieder kurze Zeit später auf einem Karren abtransportierte. Oftmals mussten Gefangene die vielen Meilen bis zum Gefängnis zu Fuß zurücklegen – was schon unerträglich für gesunde Männer gewesen wäre.
Während der Karren langsam über die Allee rumpelte, blickte Hayden in die reglosen Mienen seiner Männer, die ihn aus stumpfen Augen anstarrten. Ein eigenartiges Gefühl von Schuld bemächtigte sich seiner. Er müsste jetzt bei seiner Crew sein, anstatt sich Gedanken über eine Flucht zu machen, die er ohnehin für aussichtslos hielt. Aber es gab kein Zurück mehr. Wenn er jetzt in Gegenwart des Offiziers eingestand, die Unwahrheit gesagt zu haben, würde man ihn auf der Stelle verhaften. Er musste fliehen, auch wenn er sich dazu im Augenblick nicht in der Lage fühlte. Kein Zweifel, er durfte nicht mehr warten, bis er sich erholt hatte.
»Wie hat der junge Mann Sie genannt? ’ayden ?«, fragte Madame Adair.
Er zuckte mit den Schultern. »Offenbar wusste er nicht, wie ich heiße.«
Sie legte den
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