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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kopf leicht schräg und betrachtete ihren Gast neugierig. »Er schien sehr erfreut zu sein, Sie zu sehen …«
    »Ich erachtete es als meine Pflicht, diesen Männern zu helfen, als das Schiff unterging. Ich sage es nur ungern, aber die Besatzung der Droits de l’Homme hat sich in der Stunde der Gefahr nicht gerade mutig verhalten.«
    »Nun, ich bin froh, dass Sie überlebt haben, Capitaine «, sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln. Die Sorgen in ihrer Miene lösten sich für einen Moment auf. »Haben Sie gut geschlafen – nachdem unsere nächtlichen Besucher gegangen waren?«
    »Mir leistete eine Nachtigall Gesellschaft. Haben Sie sie auch gehört? Sie sang so schön und traurig.«
    Sie sah plötzlich sehr traurig aus. »Ich fürchte, sie wird heute Nacht nicht mehr singen, Capitaine .«
    »Ich wäre sehr traurig, wenn sie nicht mehr da wäre.«
    »Sicher nicht so traurig wie ich.«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und strebte wieder dem Haus zu. Hayden fragte sich, ob auch den anderen aufgefallen war, was in Madame Adairs Bewegungen mitschwang – ein klein wenig Zufriedenheit inmitten all dieses Irrsinns?
    Er rief einen der Männer zu sich, die den Gefangenen Wasser gebracht hatten. »Weißt du, wohin man diese Anglais bringt?«
    »Nach Brest, Capitaine .«
    »Nach Brest? Aber das Gefängnis von Quimper liegt in der entgegengesetzten Richtung.«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »So haben sie es jedenfalls gesagt, Capitaine Mercier.«
    »Merci.«
    Hayden nahm wieder auf dem Stuhl im Schatten der Kastanie Platz und blickte hinüber zu der Straße, die in Richtung Norden führte. Schon bald beobachtete er, dass der Bedienstete recht gehabt hatte – der Karren, von Soldaten umgeben, quälte sich eine Anhöhe hinauf.
    Als Hayden spürte, dass er wieder besser bei Kräften war, stolperte er die Stiege zu seiner Kammer hinauf, musste sich einmal auf einer Stufe ausruhen und sank dann wie ein Sack auf sein Bett. Er wachte auf, weil ihn jemand an der Schulter schüttelte.
    »Monsieur Capitaine – Monsieur Capitaine?«
    Sein Blick fiel auf die kleine Charlotte. »Was ist, meine Kleine?«
    »Wollen Sie nichts essen, Capitaine Mercier? Mama möchte, dass Sie etwas essen.«
    Hayden schwang die Beine über die Bettkante, setzte sich auf und stützte sich mit beiden Händen ab. Charlotte stand unmittelbar vor ihm, fast auf Augenhöhe. »Mama sagt, man muss essen, um groß und stark zu werden.«
    »Deine Mutter ist sehr klug.«
    Das Mädchen nickte, als sei es selbstverständlich, dass man ihre Mutter so einschätzte. Auf dem kleinen Tisch stand ein Tablett mit Essen. Der Duft stieg Hayden in die Nase.
    »Warum hat mich keiner zum Abendessen geweckt?«
    »Haben wir ja versucht, Monsieur , aber Sie sind nicht aufgewacht. Und ich habe Sie gerade bestimmt eine Stunde lang geschüttelt.«
    »Was, so lange? Dann muss ich ja richtig müde gewesen sein.« Da fiel ihm etwas ein. »Warst du heute nicht bei Nachbarn?«
    »Ja, schon, aber die haben mich wieder nach Hause geschickt. Madame Lepic meinte, Hortense ist krank, aber ich fand, sie sah aus wie immer.«
    »Oh, das tut mir leid, wenn sie krank geworden ist. Aber du fühlst dich doch hoffentlich nicht krank, oder?«
    Die Kleine schüttelte den Kopf.
    »Sag deiner Mutter, dass ich jetzt essen werde. Und sag ihr auch, dass ich mich für das Essen bedanke.«
    »Natürlich, Monsieur .« Sie lief los.
    Hayden fragte sich, ob die Nachbarn das Mädchen nach Hause geschickt hatten, weil sie keiner Frau helfen wollten, die wahrscheinlich bald abgeholt werden würde. Kein Zweifel, im Umkreis von einigen Meilen wusste jeder, was sich in der Nacht zuvor auf dem Gehöft der Madame Adair ereignet hatte.
    Hayden aß etwas. Das Essen und die Gerüche, die von draußen durchs Fenster hereinwehten, erinnerten ihn an die Zeit, als er als Kind zu Besuch bei der Familie seiner Mutter gewesen war. Wenn seine Freunde in London wüssten, wie sehr er dieses Land liebte, wären sie vermutlich entsetzt. Wie sehr wünschte er, dieser furchtbare Krieg möge ein Ende finden! Plötzlich widerte ihn dieser Konflikt an, in dem zwei Völker gegeneinander kämpften, zu denen er sich hingezogen fühlte. Und in all diesen Wirrnissen schrie der aufgepeitschte Mob nach dem Blut von Frauen wie Madame Adair. Kinder standen mit einem Mal ohne Eltern da, weil irgendein Fanatiker im Wohlfahrtsausschuss einen Namen in eine Liste eingetragen hatte.
    Nach dem Essen brachte er das Tablett nach unten, weil er einen Moment

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