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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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gegen die Revolutionsregierung gegeben, und da die Jakobiner keine weitere Erhebung provozieren wollten, verrichteten sie ihre schmutzige Arbeit im Schutze der Nacht.
    Von Zeit zu Zeit waren Fuhrwerke oder Karren auf eben jener Straße zu sehen, gelegentlich tauchten Reiter auf, darunter bisweilen Offiziere der Armee. Eine Weile später fuhr eine größere Kutsche in schnellem Tempo vorbei und wirbelte eine gewaltige Staubwolke auf. Aber die Schergen der Jakobiner, die Hayden fürchtete, ließen sich auch jetzt nicht blicken. Furcht und Anspannung, die sich wie ein Tuch über das gesamte Gehöft gelegt hatten, ließen ein wenig nach. Schon jetzt erkannte man, dass es ein schöner Tag werden würde. Lockere weiße Wölkchen schwebten am blauen Himmel entlang. Vögel flatterten in Hecken oder Baumkronen, Stroh und Zweige zum Nestbau im Schnabel, während die Bienen fleißig von einer Blüte zur nächsten schwirrten. Fast hätte man meinen können, mit der Welt sei alles in Ordnung.
    Nach der Frühmahlzeit machte er einen Spaziergang über die Felder und versuchte, weiter zu Kräften zu kommen. Ein Hütehund schloss sich ihm an. Offenbar dachte die Hündin, er wolle das Vieh von der Weide treiben, aber die Kühe waren bereits gemolken und gefüttert worden.
    Die zum Gehöft gehörenden Ländereien erstreckten sich über eine leicht hügelige Landschaft, die Hayden von der welligen Beschaffenheit an die aufgewühlte See erinnerte. Kaum je verliefen die Felder auf einer Höhe und fielen bald hierhin, bald dorthin ab.
    Nach einer Viertelmeile musste sich Hayden auf einer halb abgebröckelten Steinmauer ausruhen. Er war ganz außer Atem, zitterte und schwitzte. An Flucht war vorerst nicht zu denken. Denn dafür müsste er in der Lage sein, einige Meilen in kurzer Zeit querfeldein hinter sich zu lassen. Es blieb ihm nur eine Möglichkeit, die Genesung voranzutreiben: Er musste seine Spaziergänge langsam ausdehnen. Ja, er würde sich zunächst auf das Gehen beschränken und dann bei den leichteren Arbeiten auf dem Gehöft helfen. Was die Landarbeiter allerdings denken mochten, wenn ein Offizier der französischen Marine seine Dienste anbot, wusste er auch nicht. Wahrscheinlich würde er den Männern sagen, das Zeitalter der égalité, der »Gleichheit«, habe begonnen, oder so etwas in der Art.
    Bald stand er wieder auf, suchte sich einen Stock zum Abstützen und setzte seinen Weg fort, weiterhin in Begleitung des Hütehundes, der erst vorauslief und dann zurückkam, um nachzuschauen, wie weit Hayden vorangekommen war. Als dürfe die Hündin ihn nicht verlieren, da man ihn ihr anvertraut hatte. Nach einer weiteren Viertelmeile streckte er sich auf einer trockenen, nach Süden weisenden Böschung aus und schlief in der Frühlingssonne ein. Er konnte die Augen nicht mehr offen halten, so erschöpft war er nach einer halben Meile Fußmarsch!
    Einige Zeit später wachte er auf und spürte, dass er ganz heiße Wangen hatte. Er fühlte sich überhitzt in der Sonne. Ihm war sofort klar, dass er den Spaziergang nicht weiter ausdehnen konnte, und beschloss missmutig, zurück zum Gehöft zu gehen. Er war enttäuscht, dass sich die Erholung so schleppend gestaltete.
    »Zurück zum verdammten Hof!«, ließ er den Hütehund wissen, auf Französisch natürlich, da er nicht glaubte, dass der Hund Englisch verstand. »Ich habe das Gefühl, vorzeitig gealtert zu sein. Jetzt habe ich nicht mal eine halbe Meile geschafft!«
    Der Weg zurück zog sich in die Länge. Mehr taumelnd als gehend erreichte er das Gehöft, zittrig und durstig. Hier und da lagen Männer im Schatten der Bäume – Arbeiter, wie er vermutete – , während zwei Bedienstete mit einer Schöpfkelle Wasser aus einem Eimer anboten. Auf dem Stuhl, auf dem Hayden bei der Frühmahlzeit gesessen hatte, gewahrte Hayden einen französischen Offizier, dessen Rang er nicht erkennen konnte. Einige Soldaten standen Wache, die Musketen griffbereit.
    Sie bewachen Gefangene, dachte Hayden, doch ehe sein müder Geist erkannte, was das bedeutete, sprang einer der Männer im Schatten der Bäume auf und rief: »Kapitän Hayden! Gott sei Dank! Sie leben, Sir!« Es war Gould, und um ihn herum ruhten sich die Offiziere der Themis aus.
    Andere Männer erhoben sich mit einem Grinsen auf den Lippen und murmelten Erstaunen und Dankesworte. Hayden antwortete sogleich auf Französisch und tat so, als liege eine Verwechslung vor, doch er ahnte, dass es zu spät war. Inzwischen hatte sich der

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