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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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gesehen, nicht wahr?«
    Alle stimmten zu und betonten, was für ein fürchterlicher Anblick das gewesen sei.
    »Wir hoffen, dass es Ihnen gelingt, diesem Schicksal zu entgehen, aber für den Fall, dass Ihnen kein Glück beschieden ist …« Hobson bedeutete einem Diener, die Tür zu öffnen. Drei Matrosen traten ein, die Hände hinterm Rücken verborgen. »… haben wir das hier für Sie anfertigen lassen.«
    Die Matrosen zeigten nun, was sie hinter ihrem Rücken verborgen gehalten hatten, und reichten den neuen Midshipmen jeweils einen Eimer, auf denen in weißer Farbe die Namen der jungen Männer standen.
    Wortlos standen die Burschen auf, nahmen die Eimer zögerlich entgegen und grinsten leicht verunsichert, ganz so, als wüssten sie nicht recht einzuschätzen, in welchem Maße die älteren Midshipmen übertrieben hatten. Hobson, Madison, Gould und Wickham blickten todernst drein und schafften es, ein Grinsen zu unterdrücken.
    Das letzte Wort hatte schließlich der Master. »Nebenbei bemerkt, so eine Pütz erweist sich als nützlich, wenn die See mal wieder verrückt spielt. Hängen Sie sie gleich neben die Hängematte.«
    In Haydens Kapitänskajüte herrschte eine niederdrückende Leere – einsam schwang die Koje von den Haken der Decksbalken, und in einer Ecke stand seine Seemannskiste. Die Leere empfand er als so deprimierend, dass er es in der Kajüte kaum aushielt. Der Mangel an Möbelstücken fiel umso mehr ins Gewicht, da der Raum ungemein groß war. Der Schiffszimmermann war bereits dabei, Hayden einen Tisch zu zimmern und ein paar ältere Stühle aufzuarbeiten, die man auf die Schnelle aufgetrieben hatte, damit der Kapitän zumindest seinen Schriftkram erledigen und die Mahlzeiten einnehmen konnte.
    Schmerzlich vermisste er den schönen, handgeschnitzten Tisch, den Wickhams Vater ihm geschenkt hatte. Es ärgerte ihn, dass er dieses Geschenk so schnell verloren hatte. Er trat hinaus auf den schmalen Gang, der sich entlang des Heckspiegels zog, und beobachtete, die Hände um die Reling geschlossen, das schäumende Kielwasser der Raisonnable . Schließlich schritt er auf der Heckgalerie von Backbord nach Steuerbord auf und ab, ehe er wieder in der Mitte dieses schmalen Balkons stand. Früher hatte er nicht einmal zu träumen gewagt, sich eines Tages mit den Ellbogen auf der Reling einer eleganten Heckgalerie abzustützen – an Bord eines Linienschiffes. Dies war nun sein kleiner Balkon am Heckspiegel, und er hatte den Rang eines Vollkapitäns.
    Einen Moment lang überlagerte seine Befriedigung bezüglich des neuen Kommandos sogar den Nachhall, den seine letzte Unterredung mit Henrietta in seinem Kopf erzeugte. Er begriff immer noch nicht, warum er tatenlos zugesehen hatte, wie sie sich von ihm entfernt hatte. Sie war sich mit ihrer Entscheidung so sicher gewesen und hatte keine Zweifel durchblicken lassen – und eine innere Stimme hatte ihm zugeraunt, dass Henrietta recht hatte. Sie hatte gewiss etwas Besseres verdient, als von Ängsten geplagt zu Hause auf die Rückkehr ihres Marineoffiziers zu warten. Als Junge hatte Hayden erleben müssen, dass sein Vater von einer Fahrt nicht zurückgekehrt war, und das war ein schwerer Schlag für ihn gewesen. Allmählich glaubte er auch zu wissen, warum er Henrietta nicht nachgelaufen war, warum er ihr seine Gefühle nicht offenbart hatte: Denn er hatte sie in ihrem Vertrauen enttäuscht. Eines Tages, so befürchtete er, würde sie von seinem Treuebruch erfahren, und diesen Gedanken konnte er nicht ertragen.
    Ein letztes Mal blickte er hinaus auf die See und kehrte in die Kajüte zurück.
    Aber er hielt es nicht lange in dem leeren Raum aus. Rasch zog er einen alten Bootsmantel an und trat an Deck. Sein Seesoldat, der im matten Schein der Laterne kaum auszumachen war, tippte sich an den Hut und sagte »Kapitän« gerade laut genug, dass die Männer am Steuer es hören konnten. Das Steuerrad befand sich nur wenige Schritte von Haydens äußerer Kajütstür entfernt und war von dem überstehenden Dach des Poopdecks geschützt. Von dieser Position aus konnte der Steuermann nur nach vorn schauen, wurde indes laufend von dem wachhabenden Offizier über alles informiert. Die beiden Rudergänger grüßten vorschriftsmäßig, als Hayden das Quarterdeck betrat, das beidseits von Laufbrücken gesäumt wurde. Weiter vorn schloss sich das Kompasshäuschen an, daran eine zweite Laufbrücke. Das Schanzkleid war hoch, endete jedoch abrupt auf Höhe des Großmasts und ging über

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