Zu feindlichen Ufern - [3]
die Kanonen unterhalb der Quarterdeck-Leitern weiter nach hinten rutschen konnten. Einst hatte Hayden die Kühnheit besessen, diese Änderung seinem Kapitän vorzuschlagen, worauf dieser ihm beschied, er, Hayden, solle sich gefälligst an den Ersten Leutnant wenden, wenn er etwas zu sagen habe. Ursprünglich waren die Leitern nämlich immer im Weg gewesen, wenn man die Geschütze bedienen musste. Aufs Poopdeck gelangte man dann sehr schlecht. Die älteren Offiziere schafften es kaum je. Dieser Fehler war nun behoben.
»Ich habe sämtliche Papiere fertig, Kapitän«, teilte Bowen ihm mit, »und stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, wenn Sie das Schiff in Augenschein zu nehmen gedenken. Und wenn Sie erlauben, Sir, ich habe erfahren, dass Sie zu wenig Midshipmen haben. Vier junge Gentlemen stehen bereit, Sir. Sie haben zwar noch keine Erfahrung im Gefecht, aber zwei der jungen Herren sind Brüder von Mr Huxley dort und von mir, Sir, und auch die beiden anderen stammen aus guten Familien. Ich verbürge mich für jeden von ihnen, Sir, und kenne sie schon einige Jahre. Daher denke ich, dass sie ihr Handwerk sehr rasch erlernen werden. Ich wäre Ihnen in diesem Punkt nie zuvorgekommen, Sir, aber da der Hafenkommandant mir sagte, wir würden mit der Flut ablegen, dachte ich, Sie hätten nichts dagegen.«
»Unter diesen Umständen, Mr Bowen, möchte ich sagen, dass Sie eine gute Wahl getroffen haben. Ich werde mich mit den jungen Gentlemen unterhalten, sobald Sie sie an Bord gebracht haben. Aber zunächst werde ich meinen Einsatzbefehl lesen und dann einen Rundgang durch das Schiff machen.« Hayden wandte sich an seine Männer, die an der Reling warteten. »Mr Barthe, Sie inspizieren die Masten, das Rigg und die Segel. Nehmen Sie den Bootsmann mit und sorgen Sie dafür, dass alles Ihren Erwartungen entspricht. Sobald Sie damit fertig sind, begeben wir beide uns in den Laderaum und überprüfen die gesamte Ladung.«
Während der nächsten Stunden herrschte an Bord eifrige Betriebsamkeit. Das Schiff und die Besatzung wurden inspiziert. Hayden ging die Vorratslisten persönlich durch, weil er auf offener See nicht die unliebsame Erfahrung machen wollte, dass wesentliche Dinge für das Ausführen seiner Befehle fehlten. Er warf auch einen Blick auf die Musterrolle, um einen ersten Eindruck von der Zusammensetzung der Mannschaft zu bekommen. Schon bald erhielt Hayden vom Hafenkommandanten die Erlaubnis, in See zu stechen, sodass die Raisonnable bereits fünf Stunden nach Haydens Ankunft ablegte. Insgesamt hatte er ein gutes Gefühl, zumal er das Schiff noch von früher her kannte.
»Sie werden feststellen, dass sie schnell und wendig ist, Mr Barthe«, teilte Hayden seinem Master mit, während das Schiff Fahrt aufnahm und langsam den Ankerplatz hinter sich ließ. Sie standen auf dem Poopdeck, das bedeutend höher lag als das Quarterdeck der Themis . »Sie kommt einem fast wie eine große Fregatte vor, aber zusätzlich zu den Achtzehn-Pfündern hat sie ein Deck mit Vierundzwanzig-Pfündern.«
»Ja, Schiffe dieser Klasse gehören zu den besten, die Thomas Slade konstruierte«, stimmte der Master zu und strich mit der Hand über die Heckreling. »Wenn dieser Wind noch ein klein wenig dreht, bringt er uns sicher in den Ärmelkanal, Sir.«
»Das wäre mir sehr willkommen.«
Der Wind, der selten die Wünsche der Seeleute erfüllte, drehte nicht entsprechend, sodass sie die offene See erst in der Dämmerung erreichten. Hayden ließ Kurs auf Ushant nehmen und bestellte alle Offiziere unter Deck. Ein Midshipman hatte das zeitweilige Kommando.
Hayden hatte nicht genug Zeit gehabt, um seine persönlichen Dinge aus der Kajüte der zurückeroberten Themis zu holen. Da er auch über keine Möbel verfügte, berief er seine Offiziere in die Offiziersmesse und wies den Männern Plätze an dem langen Tisch an. Er sprach absichtlich leise, damit die Details der Unterredung nicht nach außen drangen.
»Die Admiralität hat mir den Auftrag erteilt, wichtige Nachrichten an Lord Admiral Howe zu übermitteln, und zwar mit aller gebotenen Eile. Daher nehmen wir unverzüglich Kurs auf Ushant, in der Hoffnung, bereits dort auf die Kanalflotte zu stoßen. Sollten wir Seine Lordschaft nicht in diesen Gewässern antreffen, so werden wir all unsere Bestrebungen darauf ausrichten, ihn möglichst schnell ausfindig zu machen. Ich kenne den Inhalt der Nachrichten an den Admiral nicht, aber in meinem Einsatzbefehl ist die Rede von einem großen
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