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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sehen, und im nächsten Moment bin ich mir wieder sicher, es gibt keine. Jetzt habe ich es verloren …« Archer hielt das Fernrohr nur ein kleines Stück vom Auge fort, fand den Lichtpunkt wieder und setzte das Rohr erneut an. »Ändert sie ihren Kurs auf Süd, Kapitän?« Er gab seinem Kommandanten das Fernglas zurück.
    »Die haben uns gesehen, da bin ich mir sicher.« Hayden ließ das Glas sinken. »Ich werde noch einmal versuchen, ein wenig zu schlafen, Mr Archer.«
    Der Erste Leutnant tippte sogleich an seinen Hut, wandte sich dann aber Hayden zu und sagte: »Haben Sie schon mit dem Doktor gesprochen, Sir?«
    »Nur kurz, Mr Archer. Es ging um einen Mann im Lazarett, der irgendeine seltsame Krankheit haben soll. Dr. Griffiths hatte Bedenken. Hat er auch schon mit Ihnen über die Sache gesprochen?«
    »Nein, Sir. Aber da wäre noch eine Sache, die etwas drängt, Sir.«
    »Und das wäre?«
    Archer wirkte mit einem Mal furchtbar verlegen.
    »Ich spreche gleich morgen früh mit dem Doktor, Mr Archer, wenn das für Sie früh genug ist …?«
    »Absolut, Sir, danke.«
    »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Leutnant.«
    Hayden begab sich wieder in seine leere Kajüte, zog sich aus und legte sich in seine schwingende Koje. So lag er eine Weile da und war davon überzeugt, keinen Schlaf zu finden. Er konnte es immer noch nicht fassen, befördert worden zu sein. Gewiss hatte er in Philip Stephens einen Fürsprecher, doch er fragte sich auch, ob sich nicht auch Lord Hood für ihn eingesetzt hatte. Aber das würde er ohnehin nie erfahren. Was er indes nicht begriff: Wie konnten Glück und Pech sich so rasch im Leben eines Menschen abwechseln? Es war nicht lange her, da hatte er seine geliebte Henrietta verloren, und Tage später war er zum Vollkapitän ernannt worden. Langsam schlummerte er ein und dachte, dass er die neue Uniform gern wieder hergeben würde, wenn er dafür die Hand von Miss Henrietta Carthew bekäme …

K APITEL ZWANZIG
    Die Raisonnable benötigte viereinhalb Tage, um die le d’Ouessant zu erreichen – beziehungsweise »Ushant«, wie die Engländer diese Insel vor der Küste der Bretagne nannten. Ganz bewusst mied Hayden den schnelleren, riskanteren Kurs, obwohl der Wind günstig stand. Denn er wollte nicht gleich sein erstes Kommando als Vollkapitän aufs Spiel setzen und entschied sich daher für die sichere Variante.
    Die zerklüfteten Klippen südlich der Hafeneinfahrt wirkten im Licht der Nachmittagssonne wie gebleichte Knochen. Sogar mit bloßem Auge konnte man die Batterien ausmachen, die die schmale Hafeneinfahrt schützten. Ein kühler, aber nicht kalter Wind aus Nord fuhr in die Bramsegel. Die grünen Felder und Wiesen Frankreichs verloren sich landeinwärts in Nebelschleiern.
    »Dort, im offenen Wasser, kreuzt ein Kutter, Sir«, teilte Wickham Hayden mit. Der junge Mann ließ das Fernglas sinken und zeigte aufs Meer hinaus. »Können Sie ihn sehen, Kapitän?«
    »Ja, ich sehe ihn, Mr Wickham. Denken Sie, es ist einer von uns?«
    »Halte ich für sehr wahrscheinlich, Sir. Fragen wir Mr Barthe. Vielleicht erkennt er das Schiff.«
    Wickham und Hayden standen an der Reling des Quarterdecks und blickten hinüber zur französischen Küste, die sich südlich der Pointe de Raz erstreckte. Die Stelle, an der die Droits de l’Homme auf ein Riff gelaufen war, lag nur wenige Stunden entfernt, und bei diesem Gedanken wurde Hayden misstrauisch und extrem vorsichtig, was den Verlauf der Küste betraf, auch wenn der Wind die Raisonnable im Augenblick nicht in Richtung Land drückte.
    Kurz darauf erschien der Master an Deck und watschelte zur Reling. Seine Wangen waren hochrot, Strähnen des roten Haars stahlen sich unter der Krempe seines abgenutzten Huts hervor, den er sich oft weit über den rundlichen Kopf zu ziehen pflegte. Sein lädierter Knöchel war zwar noch geschwollen, behinderte ihn aber immer weniger. Barthe hatte inzwischen sogar auf den Gehstock des Doktors verzichtet.
    »Würden Sie sich einmal diesen Kutter dort anschauen, Mr Barthe, und uns dann sagen, ob Sie ihn kennen?«
    Barthe nahm das Glas entgegen, das man ihm reichte, und richtete die Linse auf besagten Einmaster aus, der etwa eine Seemeile entfernt kreuzte. »Also, sie ähnelt sehr der Expedition , Sir, jedenfalls aus dieser Entfernung. Aber darauf würde ich meine Ersparnisse nicht verwetten – wenn ich welche hätte.«
    »Sie denken also, dass es ein britisches Schiff ist?«
    »Ich denke, ja, Kapitän. Der Kutter scheint

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