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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hatte noch jede Crew aufgemuntert und den Mut der Männer freigesetzt. Ja, die meisten Seeleute stellten die Prisen noch über die Liebe zum Vaterland und über die Pflicht – auch wenn Hayden sich dies nur ungern eingestand. Vor dem Hintergrund der letzten Rückschläge käme das Prisengeld auch für Hayden keineswegs ungelegen, und daher bedauerte er es, dass die Gerüchte rund um den Konvoi bislang haltlos waren.
    Im Lauf des Tages tauchten keine fremden Segel mehr auf, und gegen Abend gab Hayden den Befehl, den Gefechtszustand aufzulösen. Das Schiff erhielt wieder sein gewöhnliches Gepräge. Schotten wurden eingesetzt, die Backschaften konnten sich wieder an ihren hängenden Tischen zusammenfinden, die Männer durften in ihren gewohnten Hängematten schlafen. Hayden wusste, dass ausreichend Nahrung und Schlaf auf einem Kriegsschiff genauso wichtig waren wie die Pulverladungen und Geschosse.
    Die Nacht verstrich ereignislos, ebenso der folgende Morgen. Erst nachdem die Schiffsglocke die Mittagsstunde anzeigte, gab eine der Fregatten das Signal »fremde Segel in Sichtweite« durch. Abermals schloss die Raisonnable unter vollen Segeln zu den Fregatten auf, doch die fremden Schiffe änderten ihren Kurs und fuhren unter übermäßig vielen Segeln. Im Kielwasser dümpelte ein sehr viel kleineres Schiff ohne Masten.
    Wickham stand neben Hayden und schaute durch sein Fernrohr. Einige der anderen Offiziere taten es dem Midshipman gleich. »Das muss ein Vierundsiebziger sein, Sir«, mutmaßte Wickham, »und ganz bestimmt ein Franzose.«
    »Signalflaggen auf dem Flaggschiff, Kapitän!«, rief Bell.
    Hayden trat an die Heckreling und blickte hinüber zur Queen Charlotte , während der Leutnant das Signalbuch konsultierte.
    »Wir erhalten den Befehl, den Schiffen nicht nachzusetzen, Sir.«
    »Sind Sie sicher, Leutnant?«
    »Hier steht es, Sir«, erwiderte der junge Mann und hielt Hayden das Buch hin.
    »Neue Flaggen, Sir!«, meldete Gould im selben Moment.
    Weitere Signale wehten an Bord von Lord Howes Schiff.
    »Schiff sichern«, berichtete Gould, ohne einen Blick in Bells Buch zu werfen.
    Kurz darauf bestätigte Leutnant Bell die neue Meldung. Hayden gab den Befehl, Kurs auf das zurückgelassene Schiff zu setzen, das sich bald als kleine Brigg erwies. Eine der Fregatten nahm die Offiziere an Bord, und Hayden hatte keine Möglichkeit zu erfahren, was der Admiral von diesen Herren erfahren mochte. Die Rumpfmannschaft der Brigg brachte man ebenfalls an Bord einer Fregatte, ehe das Schiff in Brand gesetzt wurde. Unmittelbar nach dieser Aktion hieß der neue Kurs des Geschwaders Nord-Nordwest.
    Später, am Abend, waren alle Augen gespannt auf den westlichen Horizont gerichtet, wo die Sonne ins Meer tauchte. Auch diese Nacht verlief ohne Zwischenfälle. Obwohl Hayden die Vorahnung beschlich, dass sie im Morgengrauen die französische Flotte sichten würden, erwies sich die See bei Sonnenaufgang erneut als leer. Der Tag verging, ohne dass auch nur ein einsames Segel auf dem weiten Blau ringsum zu sehen gewesen wäre.
    In der Nacht spürte Hayden, dass eine Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung an Bord vorherrschte. Wenn die französische Flotte immer noch unter Segeln war, dann hätten die Briten sie inzwischen entdeckt. Entweder der Feind war nach Brest zurückgekehrt, oder er hatte viel weiter südlich den Konvoi erreicht, um ihn nach Frankreich zu eskortieren – womöglich nach Bordeaux. Von der dritten Variante wussten Crew und Offiziere nichts: Dass die Flotte vielleicht sogar im Ärmelkanal kreuzte, um die Invasionsbestrebungen der Landstreitkräfte zu unterstützen. Hayden war froh, dass er in dieser Lage nicht der Admiral der britischen Flotte war, da jede Fehlentscheidung katastrophale Auswirkungen haben könnte. Den Namen des Admirals würde man immer in einem Atemzug mit diesem Versagen nennen.
    Trotz der Gewissheit, dass niemand beim Ausbleiben der Feindberührung sein Leben lassen musste, herrschte Enttäuschung innerhalb der Mannschaft vor. Für viele Seeleute der Navy, deren Dienstzeit bislang eher von Langeweile geprägt gewesen war, ging mit der Aussicht auf einen ruhmreichen Sieg und Prisengelder ein Traum in Erfüllung. In jener Nacht sprachen die Männer in ihren Hängematten bereits traurig davon, mit leeren Händen nach England zurückzukehren, vielleicht sogar schon am kommenden Morgen.
    Dennoch, Hayden schlief schlecht und war bereits vor zwei Glasen der Morgenwache an Deck. Im matten Licht

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