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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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mochten zwar alle Entscheidungen bezüglich der Sicherheit des Schiffes obliegen, aber im Großen und Ganzen bestand seine Aufgabe darin, den Bedürfnissen des Lazaretts zu entsprechen. Und demzufolge nahm er die Anweisungen – wenn nicht gar Befehle – des Schiffsarztes entgegen.
    Countess war es auch, der Hayden und die Begleiter an der Reling empfing, die Neuankömmlinge jedoch schon nach wenigen Floskeln an Trotter verwies, der an Deck kam. Nachdem sich alle miteinander hinreichend bekannt gemacht hatten, empfahl sich der Kapitän.
    Trotter beugte sich sogleich über den Patienten, den man auf seiner Trage an Bord gehievt hatte, fühlte den Puls und legte ihm eine Hand auf die Stirn. Daraufhin löcherte der Schiffsarzt den Doktor der Raisonnable mit gezielten Fragen, die Griffiths allesamt sehr sachkundig beantwortete.
    Nachdenklich rieb Trotter sein schmales Kinn und betrachtete den Mann, der kaum imstande war, den Blickkontakt aufrechtzuerhalten – so entrückt war er aufgrund seiner Krankheit bereits von allem, was um ihn herum geschah. Trotter bedeutete seinen Assistenten, sich des Mannes anzunehmen. »Vale, Edwards, in den Quarantänebereich mit ihm. Ich komme dann und sehe nach ihm.«
    Die beiden Männer, die gewiss keine Seeleute waren, hoben die Trage an und brachten den zitternden Patienten unter Deck.
    Trotter, ein gut aussehender Mann mit breiter Stirn und großen, klaren Augen, musterte Haydens Schiffsarzt einen Moment lang. »Sind Sie der Griffiths, der mir vor einiger Zeit zum Thema Skorbut schrieb?«
    Griffiths lächelte. »Ich bin überrascht, dass Sie sich daran erinnern.«
    »Ein sehr aufschlussreicher Brief. Ich hoffe doch sehr, dass meine Antwort Sie zufriedengestellt hat?«
    »In jeder Hinsicht. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir einer Meinung, auch was die Wirkung diverser Mittel gegen Skorbut anbelangt.«
    Trotter nickte und schien mit Griffiths zufrieden zu sein. »Haben Sie noch Zeit, sich auf dem Schiff umzuschauen? Das heißt, falls es Sie interessiert.«
    »Nichts wäre mir lieber …«, erwiderte Griffiths, warf jedoch einen Blick auf Hayden, weil er nicht wusste, ob die Verzögerung unter den gegebenen Umständen überhaupt statthaft war.
    »Und Sie, Kapitän?«, fragte Trotter.
    »Ich würde mich freuen. Von Dr. Griffiths habe ich gelernt, dass die Gesundheit der Crew genauso wichtig ist wie Pulver für die Kanonen oder Segel für die Spiere.«
    »Sie werden feststellen, dass mein Kapitän ein bescheidender Mann ist, Dr. Trotter. Zu dieser Erkenntnis war er schon gelangt, ehe wir uns kennenlernten, das versichere ich Ihnen.«
    »Wenn doch nur das Navy Board und die Admiralität so aufgeklärt wären.« Trotter deutete allgemein auf das Schiff, als sie die Leiter unter Deck stiegen. »Aber hier haben wir ein wichtiges Symbol des Fortschritts, glaube ich, und Lord Howe gebührt der Dank aller Seeleute.«
    Zu Haydens Überraschung war die erste Person der medizinischen Assistenten eine Frau – eine von mehreren Schwestern, ganz wie in einem Hospital an Land, wie Hayden und Griffiths erfuhren.
    »Fünf Krankenschwestern, Kapitän Hayden«, erklärte Trotter, ohne gefragt worden zu sein, »unter der Aufsicht von Mrs Simmons, der Ordensschwester, die kein lebender Mann zu beleidigen wagt.« Ein Anflug eines Lächelns spielte um seinen Mund. »Ein Arzt, zwei Assistenten, drei Laufburschen, sechs Waschfrauen und unser beliebtester Mann an Bord unseres Schiffes – Chamberlain, der Bäcker.«
    Anstelle von Hospitalbetten hingen Schwingkojen in exakten Reihen, wobei man genügend Abstand gelassen hatte, damit das Personal nicht bei der Arbeit behindert wurde oder gar von schwingenden Patienten umgestoßen wurde. Es gab einen eigenen Bereich für Operationen und separate Quarantäne-Kojen für die Fieberkranken. Des Weiteren zeigte Trotter seinen Gästen einen verschließbaren Apothekenschrank, der mit so vielen Arzneien ausgestattet war, dass Griffiths vor Neid erblasste.
    Durch kleine Luken kam frische Luft herein, ebenso Tageslicht, und wohin das Auge blickte, war es reinlich wie im Haus eines Edelmannes. Die weiß getünchten Balken und Wände ließen nie das Gefühl aufkommen, man sei unter Deck eingepfercht.
    »Ausreichend frische Luft ist bereits ein Heilmittel für sich genommen«, dozierte Trotter. »Davon bin ich überzeugt. In herkömmlichen Lazaretten auf dem Orlopdeck setzt sich die Krankheit gleichsam fest und breitet sich von einem Mann zum nächsten aus. Aber frische

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