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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Seeluft ist quasi von der Natur gereinigt. Sowie ein Schiff auf See ist und die üblichen Leiden abgeebbt sind, stellt man fest, dass die Crew sich ungewöhnlich guter Gesundheit erfreut, vorausgesetzt, man kann den Skorbut in Schach halten. Haben Sie nicht auch dieselben Beobachtungen angestellt, meine Herren?«
    »Ich bin nur auf wenigen Schiffen gewesen, auf denen der Skorbut nicht wenigstens ein paar Mitglieder der Crew dahinraffte, daher kann ich nicht allzu viel dazu sagen«, erwiderte Hayden. »Dafür hatten wir auf einer unserer letzten Fahrten mit einem hoch ansteckenden Influenzavirus zu kämpfen. Mit Skorbut hatten wir dank der entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen keine Probleme.«
    Trotters Interesse schien geweckt zu sein. »Ja, ich habe davon gehört und frage mich, ob das wirklich eine Influenza war. Noch nie hörte ich von einem Fieber, das so tödlich war.«
    »Ich auch nicht, Dr. Trotter«, erklärte Griffiths. »Aber ich erkrankte selbst daran und bin mir sicher, dass es nichts anderes als eine Influenza gewesen sein kann. Keine andere Krankheit passt meines Wissens zu diesen Symptomen.«
    Hierauf tauschten die beiden Mediziner ihr Wissen bezüglich der besonderen Symptome und des Verlaufs der Krankheit aus, wobei Trotter sehr aufmerksam zuhörte, als fürchtete er, gleich am selben Nachmittag auf eben jene Influenza zu stoßen, die er zu bekämpfen bereit war. Hayden mochte den Mann sogleich.
    Die beiden Schiffsärzte hätten die Fachgespräche sicherlich noch den halben Tag fortgeführt, doch Hayden räusperte sich höflich und gab den Männern zu verstehen, dass es Zeit sei, den jeweiligen Aufgaben nachzukommen.
    Trotter begleitete seine Gäste aufs Deck, was Griffiths als Anzeichen für Respekt deutete.
    »Wir erhalten hier an Bord wenig Neuigkeiten«, sagte Trotter, als sie an der Reling standen. »Wurde der Konvoi inzwischen abgefangen?«
    »Nicht, dass wir wüssten, Dr. Trotter«, antwortete Hayden.
    Der Arzt wirkte sehr erschüttert. »Viele Menschen werden verhungern, wenn der Konvoi nicht durchkommt. Ich weiß, dass es Franzosen sind und dass mich das nicht kümmern sollte, aber ich fürchte, die meisten der Opfer werden Frauen und Kinder sein. Verhungernde Frauen und Kinder – so führt man keinen Krieg.«
    Mit diesen Worten sagte er seinen Gästen Lebewohl und wünschte eine gute Fahrt. Sowie Hayden und Griffiths wieder im Beiboot saßen, wurden sie von den Männern an den Riemen zurück zur Raisonnable gerudert.
    »Nun, das war also Ihr Dr. Trotter«, bemerkte Hayden. »Hat er Ihnen gefallen?«
    »Aber sicher. Ich wünschte, ich könnte mal für ein halbes Jahr Arzt an Bord der Charon sein. Da würde ich gewiss noch eine Menge lernen.«
    Hayden war sich in diesem Punkt gar nicht so sicher. Denn er hatte große Achtung vor seinem Schiffsarzt – Griffiths war ein Meister seines Fachs. Hayden mochte seinen Freund auch deshalb, weil Griffiths stets bescheiden blieb und immerzu darum bemüht war, noch mehr auf dem Gebiet der Medizin zu lernen.
    »Denken Sie, das Getreide, das aus Amerika kommt, ist allein für die französische Armee bestimmt?«, fragte Griffiths unvermutet.
    »Ein Teil davon gewiss, aber ich glaube, Dr. Trotter hatte recht. Die Bevölkerung wird am meisten leiden, sollte es uns gelingen, die Frachtschiffe abzufangen.«
    »Da weiß man ja gar nicht, was man sich nun wünschen soll«, sagte Griffiths so leise, dass nur Hayden die Worte verstehen konnte.
    Jetzt wissen Sie, wie ich mich die ganze Zeit fühle , dachte Hayden, hütete sich indes, sich in dieser Weise zu äußern.
    Nachdem Hayden an Bord zurückgekehrt war, zurrten die Seeleute das Beiboot wieder fest und setzten die Segel. Recht bald nahm die Raisonnable Fahrt auf und glitt erneut an den Linienschiffen vorbei. Hayden stand an der Reling und bewunderte die Schiffe, von denen einige der Ersten Klasse angehörten und bis zu einhundert Geschütze hatten. Am häufigsten war jedoch der Schiffstyp des Vierundsiebzigers vertreten. Hayden entdeckte mindestens fünfzehn dieser Bauart. Allerdings konnte er nicht alle Schiffe leewärts in der Kiellinie erkennen. Viele kannte er vom Hörensagen, einige vom Sehen.
    Hayden entdeckte »Billy Ruffian« in der Linienformation – das war der Spitzname für die ehrwürdige Bellerophon . Sie glitten auch an der Russel , der Thunderer , der Leviathan , der Royal George und der Invincible vorbei. Der ganze Stolz der Royal Navy in zwei Linien, mit geblähten Segeln und einer

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