Zu feindlichen Ufern - [3]
stand an der Reling und sah, wie die feindliche Fregatte vom Dunst gleichsam aufgesogen wurde. Dieses Schiff hatte keine Bramstengen mehr. Sowie es aus Haydens Blickfeld verschwunden war, schien es nach Backbord zu drehen – aber das vermochte Hayden nicht mit Sicherheit zu sagen.
»Ausguck!«, rief er erneut hinauf zu dem Mann im Kreuzmarssegel. »Drehen sie vor dem Wind? Können Sie das erkennen?«
»Bin nicht sicher, Sir – kann sein.«
Ein »kann sein« war eine ziemlich nutzlose Einschätzung in dieser Situation, dachte Hayden.
»Sie werden sicherlich vor dem Wind drehen, sofern sie es noch nicht versucht haben«, stellte Archer fest, der in diesem Moment aus dem Batteriedeck zurückkehrte.
»Ich hatte gehofft, abschätzen zu können, wie weit entfernt sie sind, wenn sie wieder auf unserem Kurs liegen. Es ist immer gut, wenn man weiß, wo sich der Feind gerade aufhält, Mr Archer, insbesondere an Tagen wie diesen.«
Der Leutnant nickte. »Mit Verlaub, Sir«, begann er leise, »was sollen wir jetzt machen? Bei dieser Abdrift wird uns unser Kurs bald zurück nach Le Havre bringen, oder zumindest in die Nähe.«
»Ja, wir sind in einer Bucht eingeschlossen. Solange der Wind nicht auf Nordwest dreht, müssen wir halsen, aber ich möchte lieber warten, bis es dunkel wird, ehe ich es versuchen will.«
»Es ist fast acht Glasen, Kapitän. Die Sonne geht in etwa drei Stunden unter, und in diesem Dunst wird die Dunkelheit nicht lange auf sich warten lassen.« Archer kam ein Stück näher an Hayden heran. »Aber die französischen Kommandanten werden sich doch wohl denken können, dass wir versuchen werden, ihnen zu entwischen – oder nicht?«
»Davon gehe ich aus, Mr Archer, aber solange nur eine Fregatte in Sichtweite ist, denke ich, dass wir entweder über Stag gehen oder vor dem Winde drehen und gegen diesen einen Gegner kämpfen, wenn es sein muss.«
»Wir könnten ein Fass zu Wasser lassen, mit einer Laterne, Sir.«
»Der Küfer soll ein Fass bereitmachen, Mr Archer, obwohl ich behaupten möchte, dass die Franzosen auf diesen alten Trick nicht so ohne Weiteres hereinfallen werden.«
Der Tag zog sich weiter in die Länge, der unstete Wind flaute ab und frischte auf, je nach Laune. Eine Zeitlang nahm der Wind so stark ab, dass Hayden das Reff aus den Marssegeln nehmen lassen konnte, doch kaum eine Stunde später mussten die Toppgasten erneut die Segel reffen. Im matten Licht der Nachmittagsstunde holte die Fregatte ein wenig auf, fiel dann wieder zurück, blieb aber alles in allem ein hartnäckiger Verfolger. Doch Hayden war erleichtert, dass die Themis dem Feind an Schnelligkeit gewachsen war.
Als die scheue Sonne verschwand und das Zwielicht Einzug hielt, wirkte die Farbe der See wie abgestandener Kaffee, und der Wind wurde merklich kühler. Nach und nach wurden die Männer in Backschaften unter Deck geschickt, um die Mahlzeiten einzunehmen. Nur die Wache blieb bei diesem ungemütlichen Wetter an Deck. Der Schiffstyp Fregatte hatte einen Vorteil: Das Unterdeck hatte keine Geschütze und diente der Unterbringung der Crew. Dort fanden die Männer sich auch zu ihren Backschaften zusammen und aßen an Steuerbord wie Backbord an niedrig hängenden Tischen, den Backs. Des Nachts wurden eben dort die Hängematten aufgehängt. Auf dem Unterdeck war es verhältnismäßig trocken, und obwohl man nicht davon sprechen konnte, dass es dort warm war, so war es auch nicht ausgesprochen kalt oder zugig. Hier konnten die Männer ihr Seemannsgarn spinnen oder sich den wenigen Ablenkungen hingeben, die das Schiff zu bieten hatte. Manch einer stimmte Lieder an oder spielte auf irischen Pfeifen und Fideln.
Kurz vor Sonnenuntergang machte Hayden einen Rundgang durch die Decks und traf den Küfer, der zwischen drei halb fertigen Fässern stand. Verwirrung zeichnete sich auf der Miene des Mannes ab.
»Sie sehen mir aber gar nicht gut aus, Pike«, sagte Hayden. »Gibt es Probleme?«
»Ich bin dabei, drei Fässer zu machen, Sir, aber die Dinger hier taugen nicht viel.«
Selbst Hayden konnte sehen, dass die Dauben, die Pike als »die Dinger« bezeichnete, nicht passten.
»Weiß nicht, was für Küfer die hier zusammengezimmert haben, Sir, aber die beherrschten jedenfalls nicht ihr Handwerk, so viel steht fest.« Er warf einen vorsichtigen Blick auf Hayden. »Aber ich zimmere schon eins zurecht, Sir, keine Sorge.«
Hayden hielt ohnehin nicht viel von dem Trick mit der Laterne auf einem dümpelnden Fass.
Gegen Ende des
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