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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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von wo aus er die Geschütze in der Kuhl im Blick hatte und über den Niedergang mit dem Leutnant unter Deck kommunizieren konnte. Von dort war es ihm zudem möglich, die Position der feindlichen Schiffe abzuschätzen. Der Erste Leutnant hob die Hand, wartete noch einen Moment und senkte die Hand. Sein Befehl ging in dem Krachen der Geschütze unter.
    Die Raisonnable glitt dicht an den Heckspiegeln der drei Schiffe entlang und feuerte inmitten all der Pulverschwaden, als wären die Schiffe halb in dieser Welt und halb im vernebelten Hades, in dessen Tiefen das Licht des Tages nicht vordringen konnte.
    Während sie das erste Linienschiff passierten, wurde plötzlich ein Seesoldat in den Schwaden sichtbar, der eine Muskete angelegt hatte und auf die Raisonnable zielte, als wäre sie ein fliehender Hirsch. Ohne nachzudenken, riss Hayden eine Pistole aus seinem Gürtel, spannte den Hahn und schoss. Der Mann fasste sich an den Hals und sank zurück in den alles durchdringenden Rauch.
    Die Heckspiegel waren nun kaum noch auszumachen. Hayden riss einen Arm hoch, als könnte er sich mit dieser Bewegung vor den beißenden Schleiern schützen. Le Jacobin , machte sich Hayden mit Verzögerung bewusst. Als er den feindlichen Soldaten erblickt hatte, war der Name des Schiffes zu lesen gewesen – Le Jacobin .
    Die Geschütze Backbord an achtern feuerten, und Hayden sah, wie seine Geschützmannschaften die Läufe säuberten und dann die Kartuschbeutel mit dem Rammer hineindrückten. Am ersten Schiff waren sie vorbei, aber das zweite Schiff war im Augenblick nicht zu sehen. Hayden kämpfte gegen die tränenden Augen an, traute sich indes nicht, die Tränen fortzuwischen, weil er befürchtete, dadurch nur noch schlechter sehen zu können. Zwischen den Qualmfetzen tauchten Stücke vergoldeter Reling auf, dann aufwendiges Schnitzwerk der Heckgalerie – vielleicht auch der Rahmen eines Heckfensters – das musste die Queen Charlotte sein, dachte Hayden.
    Er eilte die Leiter hinunter zum Quarterdeck und stolperte in dem Qualm über einen Pulveraffen. Sogleich rappelte sich Hayden wieder hoch, half dem Jungen auf die Beine und schickte ihn weiter. Hayden erreichte den Anfang der Gangway, auf der er Archer zunächst nicht entdecken konnte. Doch dann sah er ihn. Der Leutnant stand in den Rüsten, hielt sich mit einer Hand in den Wanten fest und lehnte sich zurück, um die Heckspiegel der drei Schiffe besser voneinander unterscheiden zu können. Plötzlich sprang er wieder aufs Deck, gab den Männern an den vorderen Geschützen Zeichen und eilte zur kleinen Reling an der Kuhl. Er rief Wickham etwas zu, dessen Konturen Hayden nur erahnen konnte, worauf die vorderen Geschütze der Raisonnable feuerten – nacheinander, entlang des Schiffes, in einem Rhythmus, der an das Schlagen der Totenglocke erinnerte.
    Der Schaden ließ sich nur schlecht abschätzen, da die Sicht nach wie vor schlecht war, doch mit einem Mal löste sich die Raisonnable aus den Schwaden. Nur noch ein paar geisterhafte Verwirbelungen hielten sich auf Höhe der Segel. Hayden lief zur Reling, lehnte sich vor und schaute zurück auf das Gefecht, das sich die drei Schiffe lieferten. Er hatte den Eindruck, als sei die Feuerkraft der Franzosen seit dem Manöver schwächer geworden. Nur die Mastspitzen waren zu sehen – Royal- und Bramstengen auf einem Schiff sackten seitlich weg. Das waren die Mastspitzen der Queen Charlotte gewesen, dachte Hayden.
    Unterdessen trieb das französische Flaggschiff weiter voraus. Bald hatten die feindlichen Schiffe Lord Howes Linienschiff hinter sich gelassen und behielten den gleichen Schlag beim Segeln bei.
    Hayden ließ sich ein Fernrohr geben und richtete es auf das Quarterdeck der Queen Charlotte . Tatsächlich entdeckte er Admiral Howe: Ohne Hut stand er unerschrocken in unmittelbarer Nähe des Steuerrads und verschaffte sich einen Überblick nach allen Seiten.
    »Dort ist der Admiral«, sagte Hayden und war überrascht, wie erleichtert er war, diesen Mann zu sehen – einen Fremden, zu dem er eigentlich keinen Bezug hatte.
    Die Matrosen, die in der Nähe standen, jubelten dreimal, und einige sprangen sogar auf die Reling, sodass Hayden ihnen befehlen musste, wieder an die Geschütze zu gehen. Archer lief über die Gangway in Haydens Richtung.
    »Sir«, sagte er, als er das Quarterdeck erreichte, »was werden wir jetzt tun?«
    »Wir haben unseren unmittelbaren Gegner in der Linienformation verloren«, antwortete Hayden und versuchte,

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