Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
beleuchtete die aufgewühlte See, sodass sich die weißen Wellenkronen stärker von den dunklen Wassern abhoben. In jenem Lichtflecken tauchte nun ein Segel auf, das sich rötlich-braun gegen den dunklen Himmel abzeichnete.
    Wickham und Archer hatten ihre Fernrohre zum Einsatz gebracht.
    »Ein viertes Schiff?«, fragte Hayden.
    Der Erste Leutnant reichte seinem Kapitän das Glas, das Hayden sogleich auf das in der Ferne liegende Schiff ausrichtete. Einen Moment lang herrschte gespanntes Schweigen.
    »Das dürfte die Fregatte sein, die wir bestrichen haben«, ließ Hayden den Midshipman und den Leutnant wissen und merkte, dass sich die beiden jungen Männer entspannten. Er gab Archer das Fernrohr zurück. »Sie ist viel früher zurückgekommen, als ich dachte. Offenbar waren die Schäden am Rigg doch nicht so gewaltig.«
    In diesem Augenblick schloss sich die Lücke in den Wolken wieder, und das in der Ferne treibende Schiff schien zu verlöschen wie eine ausgeblasene Kerze.
    »Sie ist vom Kurs abgekommen, Sir«, sagte Wickham und ließ sein Glas sinken. »Vier Meilen, schätze ich. Heute wird sie nicht mehr zu uns aufschließen, es sei denn, der Wind meint es gut mit den Franzosen und stellt sich gegen uns.«
    Hayden ließ den Blick über den Himmel schweifen. Dass der verhangene Himmel vorhin ein Stück weit aufgerissen war, deutete er als Anzeichen für den nachlassenden Sturm. Doch bislang blieb die Wolkendecke dicht und schwer von Regen.
    Hayden spürte die gespannte Erwartung der Männer an Deck. Sie warteten darauf, dass ihr Kapitän einen Weg ersann, sie alle aus der misslichen Lage herauszuführen. Denn jedem an Bord war klar, dass die ganze Crew in Gefangenschaft geriet, wenn die französischen Schiffe aufschließen würden.
    Hayden spürte Wickhams Blick. Der Midshipman sah ihn so eigenartig an.
    »Mr Wickham …?«
    »Entschuldigen Sie, Sir, aber ich glaube, Sie bluten.« Der junge Mann deutete zurückhaltend auf Haydens Hals.
    Hayden fasste sich ans Kinn, zog die Hand zurück und sah, dass er tatsächlich Blut an den Fingern hatte. Die Wunde, die er sich beim Rasieren zugefügt hatte, verheilte schlecht.

K APITEL FÜNF
    Seine Liebe wandelte auf Erden. So wiederholte Frank Beacher es immer wieder im Geiste. Er ging nicht so weit, Henriettas Fähigkeiten übertrieben zu loben oder zu meinen, sie übertreffe alle anderen Frauen an Schönheit. Ihren Verstand, den alle bewunderten, schätzte er nicht größer ein als bei seinen anderen Bekannten. Gewiss, sie war gebildet und bewies in vielen Bereichen eine rasche Auffassungsgabe. Nie hatte er jemanden sagen hören, sie besitze keinen Charme, und dieser Charme mochte unwiderstehlicher sein als bei anderen Frauen. Aber letzten Endes glaubte er, das Recht zu haben, zumindest bei einem ihrer vielen Talente übertreiben zu dürfen – denn schließlich war er verliebt, und war es nicht das Vorrecht des Liebenden, die Angebetete zu verklären?
    Allerdings verlief der Spaziergang mit Henrietta und Cassandra nicht ganz nach Plan. Er und sein Freund Wilder gingen etliche Schritte voraus – jetzt warteten sie auf einer kleinen Anhöhe –, während die Objekte ihrer Aufmerksamkeit langsam hinterdrein schlenderten und sich angeregt mit Mrs Hertle und Penelope unterhielten (Pen hatte sich selbst für den Ausflug eingeladen). Es hatte den Anschein, als hätten die Damen ganz vergessen, dass die beiden Herren voraus warteten.
    Die beiden Gentlemen beschlich derweil das Gefühl, außen vor zu sein, ganz so, als seien sie aus Sicht der Damen, mit denen sie am liebsten allein wären, sogar unwillkommen.
    In diesem Moment schaute Mrs Hertle auf, erblickte die Männer auf halbem Weg zur Anhöhe und winkte ihnen mit behandschuhter Hand zu. Doch dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Begleiterinnen.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass wir unter uns bleiben, Beacher, wären wir besser auf die Jagd gegangen.«
    »Ja, dann hätten wir bestimmt etwas für den Kochtopf gehabt und uns die Anerkennung von Mrs Carthew gesichert.«
    Sie schwiegen beide einen Moment lang.
    »Ich hab’s«, frohlockte Wilder, »du fällst in Ohnmacht, und ich knie neben dir, reibe über deine Handgelenke und fächele dir Luft mit meinem Hut zu. Wenn sich weder Miss Cassandra noch Miss Henrietta erschrocken zeigen, kehren wir diesem verdammten Haus und der ganzen Carthew-Familie für immer den Rücken. Was meinst du?«
    »Ein bewundernswerter Plan, aber als Schauspieler war ich immer schon

Weitere Kostenlose Bücher