Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Gelegenheit beim Schopfe und stellte eine Frage in die Runde der Damen.
    »Was meinen Sie, meine Damen, wie lange sollten sich ein junger Mann und eine junge Frau kennen, bevor der Mann es wagen darf, auf eine Verlobung zu sprechen zu kommen?«
    »Die meisten Männer sollten besser gar nicht sprechen, weil sie ohnehin wenig zu sagen haben«, kam die prompte Antwort von Cassandra.
    »Sie haben aber keine hohe Meinung von Männern«, sagte Wilder.
    »Ach, wissen Sie, Frauen sind ja noch viel schlimmer. Die meisten haben überhaupt nichts zu sagen. Die hier Anwesenden sind natürlich ausgenommen.«
    »Wir Carthews haben immer viel zu viel zu sagen«, stellte Henrietta trocken fest.
    »Meine Frage war ernst gemeint«, beharrte Wilder.
    »Sieben Jahre«, antwortete Henrietta schnell. »Keinen Augenblick früher.«
    »Mrs Hertle, Sie haben doch gewiss eine etwas ausgereiftere Antwort auf meine Frage. Alle anderen scheinen mich für einen Witzbold zu halten.«
    »Es kommt ganz auf das Paar an, Mr Wilder. Für einen Gentleman wäre es töricht, von Verlobung zu sprechen, sofern er die Gefühle der Dame noch nicht geweckt hat. Aber wenn er sich der Gefühle der Dame sicher ist, dann aber zu lange zögert, so wird das arme Mädchen an seiner Ergebenheit zweifeln und sich mit ihrer eigenen Zuneigung zurückhalten.«
    »Sie wollen damit also sagen, der Mann sollte ihr nicht zu früh, aber auch nicht zu spät sein Herz öffnen?«
    »Ja, ganz recht.«
    »Aber woher soll ein Gentleman wissen, wann der rechte Augenblick gekommen ist?«, fragte Beacher ein wenig unsicher. »Ich weiß von manch einem Mann, der davon ausging, dass die Dame seine Gefühle erwiderte, und dann leider feststellen musste, dass die Angebetete seinen Antrag ablehnte. Sehr zu seiner Enttäuschung und seinem Verdruss.«
    »Jeder Gentleman im heiratsfähigen Alter – ich lege mich jetzt nicht genau auf ein Alter fest – wird wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist«, erklärte Cassandra. »Was sollte eine Dame auch tun? Etwa eine weiße Schleife im Haar tragen, wenn der Augenblick perfekt ist?«
    »Das würden die Herren gewiss zu schätzen wissen«, meinte Wilder. »Ja, wenn die Damenwelt es so handhaben würde, wäre das männliche Geschlecht für immer dankbar.«
    »So etwas werden wir nicht tun«, entgegnete Henrietta mit Nachdruck. »Es schickt sich nicht für junge Damen, ihre Bereitschaft zu signalisieren, als wären sie – Stuten!«
    »Schau, Henrietta«, unterbrach Elizabeth sie. »Ich stimme mit Cassandra überein. Ein Mann, der nicht vermag, das Herz einer Frau zu deuten, ist einfach noch nicht bereit für die Ehe. Denn die Ehe hat viel mit der Eigenschaft zu tun, das Herz oder die Gedanken des Ehemanns oder der Ehefrau zu lesen. Ein Mann, der nicht erkennt, ob die Gefühle einer Frau ihm zufliegen, ist demnach viel zu jung für die wechselhaften Zeiten einer Ehe.«
    »Aber was ist, wenn ein Mann es nie weiß?«, fragte Beacher in beinahe klagendem Tonfall. »Sind solche Männer dann dazu verdammt, für immer allein ihr Dasein zu fristen?«
    »Diese Männer sollten nicht heiraten, denke ich«, sagte Elizabeth. »Leider gibt es immer wieder übereifrige Personen, die den Zögernden zu lenken versuchen und ihm womöglich im entscheidenden Moment einen Schubs geben, bis der Mann sich öffnet. Doch dann ist die Frau vielleicht zu jung, um zu erkennen, dass der Freier ungeeignet ist für die langen und fordernden Jahre des ehelichen Zusammenlebens. Wir alle kennen solch unglückliche Vereinigungen. Da würde ich sagen, dass die Frau dem Jungfernstand den Vorzug geben sollte.« Sie erschauerte sichtlich.
    »Dann sind sich also alle darüber einig, dass das Spüren des richtigen Augenblicks sozusagen eine Prüfung ist, die darüber entscheidet, ob ein Mann für den Stand der Ehe geeignet ist?«
    »In gewisser Hinsicht, ja, obwohl dieser Umstand gewiss nicht allein darüber entscheidet, ob ein Mann reif für das Eheleben ist.«
    »Auf was müsste man also noch achten, Mrs Hertle?«
    »Ich weiß nicht, ob ich dazu noch mehr sagen möchte, Sir. Zu welchem Zweck stellen Sie diese Fragen überhaupt?«
    »Oh, ich verfolge nur ehrbare Absichten, Madam. Wissen Sie, Mr Beacher und ich gedenken, eines Tages zu heiraten, und daher ist es für uns natürlich wichtig, zu wissen, was für Aussichten wir haben und an welchen Charaktereigenschaften wir noch ein wenig feilen müssen, damit wir vorbildliche Ehemänner und Väter werden. Das allein ist unsere Absicht, und

Weitere Kostenlose Bücher