Zu feindlichen Ufern - [3]
erwidert, irgendwo aus dem Nebel, dann ein drittes Mal.
»Jetzt haben sich alle Franzosen gemeldet«, stellte Wickham mit einer gewissen Zufriedenheit fest.
Doch dann antwortete noch ein viertes Schiff weiter voraus, ein weiteres an Backbord. Wieder eines achteraus, so kam es Hayden jedenfalls vor.
»Mein Gott, Sir«, wisperte Gould. »Ich dachte, wir würden hier auf britische Fregatten stoßen.«
»Können das Echos von den Klippen gewesen sein?« Hayden schaute hinüber zu dem Master, der sehr blass aussah.
Barthe schüttelte den Kopf, und das von Grau durchzogene rote Haar fiel ihm in die Stirn. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir zu weit von der Küste entfernt sind. Sechs Schiffe, Sir. Wahrscheinlich alles Franzmänner – es sei denn, unsere Fregatten geben das Signal zurück, um den Feind zu verwirren.«
Einen Moment lang war Hayden versucht, den Feind auf diese Weise zu täuschen, aber er sah keinen Nutzen darin und behielt den Gedanken für sich. Wieder schaute er hinauf in die Segel, die in diesem Augenblick erschlafften.
»Mr Barthe …« Er wandte sich an den Master. »Ich denke, dass sich dieser Nebel bald lichten wird. Sind Sie auch dieser Ansicht?«
»Ganz gewiss, Sir.«
»Dann holen wir unsere französischen Uniformen und die entsprechenden Abzeichen hervor. Wenn dort draußen überall französische Schiffe sind, müssen wir so tun, als gehörten wir zu denen. Mr Gould, Sie gehen zu meinem Diener und sagen ihm, dass wir die französische Kleidung benötigen – und zwar für alle Offiziere.«
Hayden war froh, dass er die Uniformen aufbewahrt hatte, die sie auf der Prisenfregatte Dragoon eingesetzt hatten. Damals war er gezwungen gewesen, sich als französischer Kapitän auszugeben, der ein englisches Schiff jagte. All das schien ein halbes Leben her zu sein. Doch jetzt konnte er die Themis vielleicht nur mithilfe dieser Uniformen vor großem Unheil bewahren.
Er schaute hinauf in die Segel, die noch immer nass und schlaff von den Spieren hingen. Selbst der Wimpel an der Mastspitze klebte am nassen Holz und zeigte keinen Wind mehr an. Hayden hätte am liebsten gebetet. Um ein bisschen Wind, eine Brise, die ihnen ein wenig Abstand zu den französischen Fregatten beschert hätte – in der Hoffnung, dass die Verfolger nicht in dieselbe Richtung liefen wie die Themis . Nur ein leichter Wind, ein Seufzen in den Segeln, irgendetwas …
Zwei Matrosen, in Begleitung von Haydens Kajütsdiener, schleppten eine Kiste an Deck. Rasch wurden die darin befindlichen Uniformen entsprechend der Größe und des Ranges an Haydens Offiziere verteilt.
»Tut mir leid, Mr Archer, aber Mr Barthe wird meinen zweiten Offizier spielen müssen. In diesen Uniformrock passen Sie gewiss nicht rein.«
»Von den Schuhen einmal abgesehen …« Diese Bemerkung kam von Hawthorne, der durchtrieben grinste. Er war gerade erst an Deck erschienen, mit der Absicht, sich der französischen Marine anzuschließen – denn der Leutnant der Seesoldaten ließ sich so gut wie kein Abenteuer entgehen. Aber Hayden brachte in diesem Moment nicht einmal ein Lächeln zustande. Ihre Situation war mehr als verzweifelt. Wenn es stimmte, dass bis zu sechs Schiffe in der Nähe waren, käme es einem Wunder gleich, wenn Haydens Crew dies unbeschadet überlebte.
»Gould! Springen Sie hinunter zum Segelmacher. Er soll ein Segel an Deck schaffen lassen, mit dem wir unseren Heckspiegel verdecken können. Er würde uns gewiss verraten. Rasch, beeilen Sie sich. Der Segelmacher soll keine Zeit vergeuden. Besser zu groß als zu klein.«
»Aye, Sir.« Gould stürmte so schnell den Niedergang hinunter, dass Hayden befürchtete, sein Midshipman würde sich ein Bein brechen, aber es ging noch einmal gut.
»Wo ist die französische Kriegsflagge? Wir müssen sie hissen.«
Achtern breitete man die Flagge aus und hisste sie oberhalb des Steuerrads, wo sie schlaff und unauffällig hing.
Hayden entledigte sich seines Mantels und Uniformrocks und schlüpfte in die Uniform eines französischen Kapitäns. Kurz darauf waren all seine Offiziere wie Franzosen gekleidet, standen allerdings in den ungewohnten Uniformen ein wenig unsicher auf dem Quarterdeck. Hayden hingegen trug die französische Uniform wie eine zweite Haut. Die Leute glaubten immer, er sei halb Engländer und halb Franzose, aber bislang hatte noch keiner begriffen, dass er Engländer und Franzose zugleich war, ungeteilt. Im Grunde stellte das einen Widerspruch dar, aber es war nun einmal die
Weitere Kostenlose Bücher