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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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vertrete – ich denke nämlich, dass die Regierung gewählt werden sollte.«
    Er hielt einen Moment inne. »Können Sie das Geräusch der Guillotine hören, Capitaine Hayden? Nein? Vermutlich können Sie es nicht, weil Sie kein Franzose sind – wie Sie behauptet haben. Ich hingegen kann sie hören, obwohl sie ihre schreckliche Pflicht viele Meilen entfernt tut. Jeder französische citoyen kann die Guillotine hören. In Frankreich, selbst auf einem französischen Schiff, weiß man nie, wo sich ein Informant versteckt hält – jemand, der einen in einen Strudel stößt, der zur Guillotine führt. Man weiß, dass ich eine Schatulle habe, in der sich Ihre Korrespondenz befindet, aber niemand weiß, was in diesen Briefen steht. Nur ich und ein Lieutenant , dem ich voll und ganz vertraue. Die Briefe Ihrer Mutter werde ich eigenhändig vernichten. Ich bedaure es, aber alles andere würde uns beide nur in Gefahr bringen. Verstehen Sie das?«
    »Ja, Capitaine Lacrosse. Ich stehe tief in Ihrer Schuld.«
    »Es sind schon so viele unschuldige Menschen gestorben, Capitaine Hayden, und jeden Tag werden es mehr. Das ist ein Schandfleck auf meinem Land, der nie weggewischt werden kann.« Er suchte Haydens Blick. »Schauen Sie sich ein wenig an Deck um, Capitaine . Das Wetter hat sich etwas gebessert.«
    Hayden war im Begriff, dem Franzosen zu danken, denn er stand jetzt wahrlich tief in Lacrosses Schuld, doch ein Mann im Ausguck rief: »Segel!«
    Dort, am Horizont, war tatsächlich ein Segel, mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar. Hayden vermutete, dass es ein Dreimaster war, der aus den sich allmählich auflösenden Nebelbänken auftauchte. Die französischen Offiziere an Deck eilten zur Reling, um sich selbst ein Bild von dem gesichteten Schiff zu machen. Man brachte Lacrosse sein Fernrohr, das er umgehend auf das Segel in der Ferne richtete. Leise sprach er mit seinen Leutnants, die inzwischen alle durch ihre Fernrohre spähten. Die Herren schüttelten die Köpfe.
    Lacrosse winkte Hayden zu sich, der sich ein paar Schritte von der Reling zurückgezogen hatte, um den Franzosen Platz zu machen – er schuldete Lacrosse jeden nur erdenklichen Respekt.
    Der Franzose hielt ihm das Fernrohr hin. »Wir können dieses Schiff nicht identifizieren, Capitaine Hayden. Vielleicht erkennen Sie es?«
    Hayden nahm das Fernrohr und fragte sich, wie weit seine Dankbarkeit gehen durfte. Er richtete die Linse auf das Schiff in der Ferne und versuchte, das Segel nicht aus dem Rund des Rohrs zu verlieren. Das Schiff gierte ein wenig nach Backbord, und das Licht erfasste eindeutig die Steuerbordseite. Deutlich waren Stückpforten zu erkennen, aber nur eine Reihe. Er ließ das Glas sinken.
    »Ich vermag es nicht mit Sicherheit zu sagen«, bekannte Hayden, als er den forschenden Blick von Lacrosse spürte. »Es erscheint mir zu klein für einen Vierundsiebziger.«
    »Ist es ein britisches Schiff?«
    »Das kann ich nicht sagen, Capitaine .«
    »Gewiss. Nun, warten wir ab, wie schnell es ist. Dem Kurs nach zu urteilen, hält es auf uns zu. Doch ich denke, dass wir die mächtigere Breitseite haben, falls es sich als ein britisches Schiff erweisen sollte.«
    »Capitaine …« Einer der Leutnants deutete in Richtung des Schiffs. »Wir glauben, dass dort noch ein zweites Schiff ist, halb verdeckt hinter den Segeln des ersten.«
    Lacrosse hob erneut sein Glas, schaute kurz hindurch und fluchte.
    »Segel!«, erschallte es wieder aus dem Ausguck. »Achteraus vom ersten.«
    Mit bloßem Auge konnte Hayden das zweite Schiff nicht sofort ausmachen, aber dann löste es sich von dem ersten und segelte in das goldene Licht des späten Nachmittags.
    »Deux frégates« , vernahm Hayden von einem der Leutnants.
    Hayden war im Stillen der Ansicht, dass das erste Schiff zu groß für eine Fregatte war, aber er war immer noch davon überzeugt, nur eine Reihe Stückpforten gesehen zu haben. Mit Sicherheit kreuzte Pellew in diesem Gewässer mit der Indefatigable . Sein Pulsschlag beschleunigte sich spürbar. Die Indefatigable war ein Razee – ein größeres Schiff, bei dem ein Deck entfernt worden war, um einen Eindecker zu bekommen – in diesem Fall ein Schiff mit vormals vierundsechzig Geschützen, das in einen Eindecker mit vierundvierzig Vierundzwanzig-Pfündern verwandelt worden war.
    Hayden versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Mit etwas Glück wäre er am Ende des Tages kein Gefangener mehr. Er schaute in Richtung der Sonne, die im Westen stand – noch zwei

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