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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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die beiden zogen sich zu einem Tisch zurück, der ein wenig abseits stand und neben dem ein Segeltuch eine Art Separee bildete – eine private »Kajüte« für den Kapitän der Gefangenen. Zwei Bänke standen vor dem Tisch, in einer Ecke hatte man eine Hängematte aufgehängt.
    »Mr Ransome, es ist meine Pflicht, mich nach den Umständen des Todes von Mr Greenfield zu erkundigen. Wie ich hörte, versuchten einige der Matrosen, den Kameraden am Schreien zu hindern, indem sie ihm den Mund mit einem Hemd oder einem Tuch zuhielten. Ist es möglich, dass er bei dieser Aktion erstickt ist – aus Versehen?«
    Ransome umschloss seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger und schloss einen Moment die Augen, als müsse er seine Erinnerungen ordnen. »Ich kann Ihre Frage nicht mit Sicherheit beantworten, Kapitän. Er war schwer verwundet – ein Schuss in den Rücken.« Er fasste sich an die Brust und deutete über seine Schulter hinweg. »Ungefähr auf dieser Höhe drang die Kugel ein, Sir. Sein Atem glich einem Rasseln, und Greenfield drohte an seinem eigenen Blut zu ersticken. Wir wussten nicht genau, ob dort draußen im Nebel wirklich nur ein Beiboot der Franzosen trieb, und Greenfield machte ein furchtbares Geschrei, Sir. Ich befahl Braithwaite und Carlson daraufhin, dafür zu sorgen, dass Greenfield möglichst keinen Laut von sich gab.« Ransomes Blick verdunkelte sich, und im Schein der Laterne wirkte seine Haut gräulich und stumpf. »Einer von denen – ich weiß nicht mehr genau, wer – zog sich die Jacke aus und versuchte, Greenfield damit zum Schweigen zu bringen, indem er ihm die Jacke aufs Gesicht drückte. Der Verwundete lag im Boot, und ich konnte nicht genau sehen, was da vor sich ging, Sir, selbst wenn ich es gewollt hätte, denn meine Aufmerksamkeit galt den Franzosen im Nebel.«
    »Wie weit war Greenfield von Ihnen entfernt, Mr Ransome?«
    »Er lag in der Mitte des Bootes – und ich stand am Heck. Mr Hawthorne stand mit seinen Männern am Bug.«
    »Braithwaite und Carlson versuchten also, Greenfields Schreie mit einer Jacke zu dämpfen – und was geschah dann?«
    »Wir gerieten wieder unter Beschuss – aus Musketen und Pistolen –, worauf wir das Feuer erwiderten. Und dann teilte Carlson mir mit, er glaube, Greenfield sei aus dem Leben geschieden.« Ransome fasste sich wie abwesend an die Stirn, sein Blick glitt ins Nichts. »Ich begab mich sofort in die Mitte des Beiboots und stellte fest, dass Greenfield schlaff dalag. Sein Hemd war blutdurchtränkt, Sir, und Blut war auch in seinem Gesicht und um seinen Mund herum – auch am Hals. Er atmete nicht mehr, und ich konnte keinen Puls mehr ertasten, weder am Handgelenk noch am Hals. Da man vorher bei jedem Luftholen rasselnde Geräusche gehört hatte, nun aber nichts mehr zu hören war, gab ich die Order, den Mann über Bord zu werfen. Ich dachte, dass es die Männer an den Riemen arg beunruhigen würde, einen Toten im Boot liegen zu haben, und ich war auf die Aufmerksamkeit der Männer angewiesen.«
    »Haben Braithwaite und Carlson in irgendeiner Weise schuldbewusst auf Sie gewirkt?«
    »Sie sahen beide erschüttert aus, Sir, schienen neben sich zu stehen, aber ich hielt die Reaktion für nachvollziehbar, denn immerhin war gerade einer ihrer Kameraden gestorben. Sie müssen wissen, dass Braithwaite und Greenfield in derselben Backschaft waren, Sir.«
    »Sie glauben also nicht, dass Feindschaft zwischen den beiden Männern und Greenfield bestand?«
    »Nein, das glaube ich nicht, Kapitän. Zumindest ist mir nichts dergleichen zu Ohren gekommen.«
    »Bei nächster Gelegenheit bitte ich Kapitän Lacrosse, uns Feder und Tinte zur Verfügung zu stellen, damit Sie Ihren Bericht zu Papier bringen können, Mr Ransome.«
    »Wird die Sache vors Kriegsgericht kommen, Sir?«
    »Das vermag ich nicht zu sagen, Leutnant. Wenn ich der Ansicht bin, dass Greenfields Tod ein Versehen war, dann wird die Admiralität die Angelegenheit nicht weiter verfolgen, denke ich. Dennoch, ich muss der Wahrheit halber im Logbuch festhalten, dass Greenfield nicht zwangsläufig durch die feindliche Kugel starb. Ich frage den Doktor, was er dazu meint. Er wird vielleicht die ein oder andere Frage an Sie haben. Auch mit den anderen Männern, die in die Sache verwickelt sind, muss ich sprechen, aber außer Ihnen und Mr Hawthorne befinden sich ja alle an Bord der Themis .«
    Der Leutnant nickte. Daraufhin rief Hayden den Schiffsarzt in das Separee. Griffiths nahm neben Ransome auf der

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