Zu feindlichen Ufern - [3]
hätte ihm ähnlich gesehen, wenn er versucht hätte, alle Schuld auf Carlson und Braithwaite abzuwälzen.«
»Er hat den beiden den Befehl gegeben, Greenfield zum Schweigen zu bringen, um es einmal so drastisch auszudrücken. Andere haben diesen Befehl gehört. Daher muss er davon ausgehen, dass ihn zumindest eine Teilschuld trifft.«
»Ja, da haben Sie recht.«
Griffiths sprach so leise weiter, dass Hayden die Worte kaum verstehen konnte. »Lacrosse befragte mich – recht eindringlich – zu Ihren Eltern. Ihm ging es vor allem um Ihre Mutter. Natürlich sagte ich ihm nur, Ihr Vater sei Vollkapitän in der Navy Seiner Majestät gewesen. Weiter nichts.«
»Er weiß längst über die Herkunft meiner Mutter Bescheid. Andere waren nicht so rücksichtsvoll wie Sie. Und er ist im Besitz der Briefe meiner Mutter, die alle auf Französisch verfasst sind. Sie müssen wissen, dass die Franzosen durchaus glauben, ich sei ein royalistischer Kapitän, der im Dienste der Royal Navy steht. Ich hoffe, dass ich Lacrosse vom Gegenteil überzeugen konnte.«
»Er hat die Briefe Ihrer Mutter …« Griffiths schaute noch ernster drein als sonst. »Bringt dieser Umstand Ihre Familie in Gefahr?«
»Bei den gegenwärtigen Vorkommnissen in Frankreich? Ja, sicher. Lacrosse hat versprochen, die Briefe zu vernichten. Wussten Sie, dass er vor der Revolution ein Baron war?«
»Dann ist es bemerkenswert, dass man ihm ein Kommando übertragen hat. Es grenzt an ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben ist.«
»Genau. Ich halte ihn für einen ehrenwerten Mann, der nicht zulassen wird, dass man meine Familie ohne Grund verfolgt.«
»Er sollte sich indes vorsehen, Ihnen zu helfen. Sollte das bis zum Wohlfahrtsausschuss vordringen, wer weiß, wie dies die Herren dort auffassen werden.«
»Ganz recht. Der Mann hat sich mir zuliebe in große Gefahr gebracht.«
Der Doktor fixierte Hayden mit seinem Blick. »Was wird er als Gegenleistung einfordern, frage ich mich?«
»Wenn er wirklich ein Ehrenmann ist, gar nichts.«
»Es ist seine Pflicht, für die Sicherheit seiner Männer zu sorgen und sein Schiff vor dem Zugriff des Feindes zu bewahren. Sollte er durch widrige Umstände vor die Wahl gestellt werden, welcher Verpflichtung er nachkommen soll, so wird er eher seine Pflicht als Kommandant dieses Schiffes tun als einer Familie zu helfen, die er überhaupt nicht kennt.«
»Ja, ich wünschte, ich wüsste, ob er die Briefe tatsächlich wie versprochen vernichtet hat. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass die Droits de l’Homme als britische Prise enden wird, noch ehe die Nacht anbricht. Und dann werden die Briefe wieder mir gehören. Falls sie nicht längst zu Asche verbrannt sind.«
»Hoffen wir es. Ich für meinen Teil finde keinen Gefallen an der Vorstellung, in ein französisches Gefängnis zu müssen. Offiziere werden schnell ausgetauscht – aber Schiffsärzte? Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Doktor. Es gibt viele französische Schiffsärzte unter den Gefangenen in England. Man wird auch Sie gegen einen Kollegen Ihres Berufsstandes austauschen, glauben Sie mir.« Hayden hätte seinem Freund beinahe auf die Schulter geklopft, besann sich dann aber eines Besseren und ließ die Hand sinken. »Kommen Sie, gehen wir wieder zu den anderen.«
Als Hayden und Griffiths sich zu den Kameraden gesellten, herrschte einen Moment lang betretenes Schweigen, aber schon bald sorgte Hawthorne mit einigen Bemerkungen für bessere Laune. Man begann zu spekulieren, was die britischen Schiffe erreichen mochten, zumal die Geschütze inzwischen in regelmäßigen Abständen zu hören waren.
»Waren es nur zwei britische Schiffe, Kapitän?«, fragte Wickham.
»Als ich an Deck stand, sah ich jedenfalls nur zwei. Womöglich haben sich ihnen noch weitere angeschlossen, und falls nicht, nun, ich denke, zu zweit werden sie eine Menge ausrichten können, meinen Sie nicht?«
»Gewiss, Sir, aber meine Befürchtung ist, dass dieses Schiff Brest erreicht, ehe die Briten aufschließen können. Mr Barthe meinte eben, dass wir vielleicht gar nicht so weit von der Küste entfernt sind.«
»Halten Sie das für möglich, Mr Barthe?«, fragte Hayden.
»Ich bin mir da nicht ganz sicher, Sir. Während der letzten Tage haben wir weder Land noch die Sonne zu Gesicht bekommen. Meinen Berechnungen zufolge war unsere Position südlich von Brest, etwa vier Seemeilen vom französischen Festland entfernt. Aber darauf würde ich nicht
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