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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kaltblütigkeit – zu demonstrieren.
    Die wogende See hob das Schiff an und drückte unter den Rumpf, bis das Heck schließlich wieder in das Wellental sank und der Bug steil in die Wolken zeigte – ein Vierundsiebziger bewegte sich ganz anders als eine kleinere Fregatte, wie Hayden sich wieder einmal bewusst machte. Sowie er an die Themis dachte, wurde ihm erneut deutlich vor Augen geführt, dass er in den Händen des Feindes war – die Themis war nun eine Prise im Krieg. Zwar war er gewiss nicht der erste britische Kapitän, der sein Schiff verlor, dennoch überkamen ihn bei dieser Vorstellung Verzweiflung und ein Gefühl von Erniedrigung. Aus einem unerfindlichen Grund sah er plötzlich den früheren Kommandanten der Themis vor seinem geistigen Auge – Kapitän Josiah Hart grinste böse, weidete sich geradezu an Haydens Missgeschick und erzählte überall, Hayden sei ein blutiger Anfänger, der sich weder mit Schiffen noch mit Mannschaften auskannte und der den Anforderungen des Krieges nicht gewachsen sei.
    Inzwischen hatten sich Lacrosse und dessen Leutnants beim Kompasshäuschen eingefunden. Sie flüsterten zwar, aber Hayden sah, dass die Franzosen in eine hitzige Debatte geraten waren. Es war offensichtlich, dass sie sich bezüglich des Kurses nicht einig waren. Doch vielleicht ging es im Augenblick auch gar nicht um die Position des Schiffes, sondern um den ungewissen Ausgang der Flucht.
    Die Droits de l’Homme segelte mehr oder weniger gen Osten und hatte inzwischen einen günstigen achterlichen Wind. Falls der Küstenverlauf tatsächlich so nah war, wie viele befürchteten, und kein Hafen Schutz durch Küstenbatterien bot, liefen sie Gefahr, vor der Küste in die Enge getrieben zu werden – schlimmstenfalls könnte die Droits de l’Homme auf ein Riff laufen. Bereits bei Tag war die Sichtweite schlecht gewesen, aber in der Dunkelheit konnte man nicht weiter sehen, als eine Musketenkugel flog. Hätte Hayden das Kommando innegehabt, wäre er mehr als beunruhigt gewesen.
    Lacrosse richtete sich plötzlich auf und erklärte seinen Offizieren: »Ich werde nicht vor zwei Fregatten kapitulieren! Die Engländer müssen mein Schiff schon entern und unsere Flagge eigenhändig einholen!«
    In diesem Moment krachte eine Kugel in den Heckspiegel unterhalb des Quarterdecks. Hayden war froh, dass seine Kameraden weiter vorn und unterhalb des Wasserspiegels untergebracht waren. Die französischen Geschütze feuerten zurück, doch sie trafen weitaus seltener als die Briten, wobei man zugeben musste, dass ein Vierundsiebziger das größere Ziel bot.
    Hayden war schnell klar, dass die beiden Schiffe rasch aufholten. Er konnte sogar die Geschützmannschaften erkennen und sah, wie sich die Männer an den Karronaden zu schaffen machten, über den Lauf peilten oder die Kartuschen mit dem Rammer in den Lauf drückten. Hayden fiel ein, dass er schon einmal an Bord eines französischen Schiffes gewesen war und gegen ein britisches Schiff gekämpft hatte – doch die französische Fregatte war eine Prise gewesen, und das britische Schiff hatten Meuterer in ihre Gewalt gebracht. Gleichwohl hatte er die Engländer bekämpft und riskiert, im Verlauf des Kampfes von ihnen getötet zu werden. Da er nun erneut auf dem Quarterdeck des Feindes stand und den Uniformrock eines französischen Kapitäns trug, kam ihm die Situation merkwürdig vertraut vor: ganz so, als wäre er tatsächlich ein französischer Offizier, wie es die Franzosen vermutet hatten.
    Am Bug des Razee stieg eine Rauchwolke auf, kurz darauf sauste eine Eisenkugel durch die Luft. Sie zerfetzte das Kreuzbramsegel, richtete aber keine weiteren Schäden an. Hayden atmete auf, wusste er doch, dass das Geschoss ihn um weniger als ein Dutzend Schritte verfehlt hatte.
    Auf dem britischen Schiff, das näher herangekommen war – der Razee -, sah Hayden Seesoldaten, die in die Topps des Fockmasts aufenterten. Sie hatten sich die Musketen umgehängt, und ihre roten Uniformen hoben sich deutlich von dem Grau ab. Hayden war sofort klar, dass das Quarterdeck der Franzosen von nun an ein noch gefährlicherer Ort war.
    Derweil hatte Lacrosse seine eigenen Scharfschützen in die Mars am Kreuzmast geschickt.
    Als wieder eine Kugel das Heck des Franzosen beschädigte, spürte Hayden die Vibrationen durch die Stiefelsohlen hindurch. Einerseits war er stolz auf die Darbietung der britischen Geschützmannschaften, andererseits wünschte er sich unter den gegebenen Umständen, dass die

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