Zu feindlichen Ufern - [3]
Gefecht verwickeln, während das Schwesterschiff die Droits de l’Homme an achtern bestrich. Da die Wellen bereits recht hoch waren, musste Lacrosse die unteren Stückpforten geschlossen halten, was wiederum bedeutete, dass die Feuerkraft nahezu ausgeglichen war. So schätzte Hayden jedenfalls die augenblickliche Lage ein, als er das Deck betrat.
Als Lacrosse ihn bemerkte, bedeutete er den Wachen, den Gefangenen zu ihm zu bringen.
» Capitaine Hayden.« Er neigte den Kopf zum Gruß. »Auf ein Wort, wenn ich bitten darf.«
Trotz der Kanonen, die nur wenige Yards entfernt mit gewaltigem Donner gezündet wurden, und der britischen Geschosse, die durch die Luft sirrten, blieben die beiden Kommandanten auf dem Quarterdeck und zogen sich in einen Winkel der Reling zurück. Hayden bewunderte den französischen Kapitän für seine Gelassenheit. Fast hätte man meinen können, der Franzose ergehe sich in seinem Garten, so entspannt wirkte er. Hayden indes hoffte, dass er nicht durch eine britische Kugel sterben würde – das wäre wahrlich Ironie des Schicksals gewesen.
»Unter meinen Offizieren ist es zu Uneinigkeiten gekommen, Capitaine Hayden«, begann Lacrosse, »was unsere Position anbelangt. In dieser Gegend sind viele Küstenbereiche gefährlich. Die Frage ist daher, wie dicht wir im Augenblick an der Küste sind.«
Es war offensichtlich, das Capitaine Lacrosse eine Gegenleistung für den Gefallen einforderte, den er Hayden erwiesen hatte. Und angesichts der Gefahren, in der die Familie seiner Mutter schweben könnte, fragte sich Hayden, ob er dem Franzosen überhaupt die Hilfe verweigern durfte.
»Ihnen ist bewusst, Capitaine Lacrosse, dass ich dem Feind helfe, wenn ich Ihnen Informationen bezüglich der Navigation gebe? Man könnte mich vor ein Kriegsgericht stellen und hinrichten.«
»Ich versichere Ihnen, Capitaine , niemand außer mir wird je erfahren, dass Sie mir Ihre Hilfe angeboten haben. Ich möchte noch hinzufügen, dass Ihre Leute in derselben Gefahr wie meine Crew wären, sollten wir auf ein Riff laufen. Da erachten Sie es doch gewiss als Ihre Pflicht, das Leben Ihrer Offiziere zu retten, nicht wahr?«
»In der Tat. Leider haben wir seit drei Tagen weder Land noch Sonne zu Gesicht bekommen. Selbst mein Master war unsicher, was unsere Position anbelangt, als wir die Flagge strichen. Und das ist die Wahrheit, Capitaine .«
Hayden vermochte nicht einzuschätzen, was dem Franzosen durch den Kopf ging. Lacrosses Miene jedenfalls blieb neutral, der Franzose schwieg. »Was für ein Pech«, sagte er schlussendlich, entschuldigte sich und begab sich zu seinen Offizieren. Hayden blieb allein in der Ecke an Deck zurück und konnte sich nicht sicherer wähnen als die französischen Offiziere. Er fragte sich sogar, ob der Franzose diese Gleichgültigkeit und Todesverachtung absichtlich an den Tag gelegt hatte, um den Anglais in Gefahr zu bringen. Hayden lehnte sich an die Reling, verschränkte die Arme vor der Brust und richtete seine Aufmerksamkeit auf die britischen Schiffe. Obwohl die See aufgewühlter war als Stunden zuvor, brachten die Briten einen regelmäßigen Beschuss zustande, wobei etwa jeder vierte Schuss ein Treffer war. Doch die Kugeln flogen zumeist durch die Segel und richteten wenig Schaden an.
Das Kreischen der Eisenkugeln in der Luft indes ließ keinen Seemann kalt – bei diesem Geräusch wurde jeder von Furcht ergriffen, ganz so, als streckte man im Dunkeln die Hand nach einer Schlange aus. Auch Hayden gestand sich ein, ein ungutes Gefühl zu verspüren, wenn die Kugeln durch die Luft flogen. Die Frage war nur, wie man mit diesem Gefühl umging. Er hörte seinen eigenen Herzschlag, spürte, wie die Angst ihm in die Glieder fuhr und ein Ziehen in der Magengegend auslöste.
Aber Hayden hatte inzwischen gelernt, mit diesen Gefühlen zu leben. Fast hätte er sich als Fatalist bezeichnet. Er war wirklich davon überzeugt, dass man sich nicht mehr verstecken konnte, wenn die eigene Zeit abgelaufen war. Da war es besser, dem Tod ins Auge zu sehen, anstatt sich ängstlich wegzuducken – das war seine Überzeugung. Man starb nicht auf den Knien, sondern mit beiden Füßen fest auf den Planken.
Und so blieb er an der Reling stehen, blickte hinüber zu den britischen Geschützen und gelobte im Stillen, sich im Beisein der Franzosen nicht einmal den Anflug von Angst anmerken zu lassen. Wie es schien, waren die Franzosen genauso fest entschlossen, in Gegenwart des Anglais ihr sangfroid – ihre
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