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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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schlimmer.«
    »Jetzt machen Sie es nicht so spannend«, versuchte Morell, Uhl ein wenig anzutreiben. »Was ist passiert?«
    »Wir wollten uns gerade daranmachen, den steilen Tunnel zurückzugehen, als uns ein völlig entrüsteter und erzürnter Harr entgegengestapft kam. Der schlaue Fuchs hatte gemerkt, dass wir uns aus dem Lager geschlichen hatten, und hat es irgendwie geschafft, uns aufzuspüren.«
    »Und er war natürlich alles andere als erfreut über Ihre kleine nächtliche Exkursion.«
    »Alles andere als erfreut ist mächtig untertrieben. Harr war außer sich vor Zorn. Er hat uns angebrüllt und darauf gepocht, dass er der Grabungsleiter und somit für uns und unser Verhalten verantwortlich sei. Er hat geschrien, ob uns überhaupt klar sei, was wir hier alles hätten anrichten können. Natürlich hatte er recht. Das Archäologische Institut hatte keine Grabungsgenehmigung für die Stelle – wenn uns ein Vertreter der syrischen Regierung erwischt hätte, dann hätte das schlimme Konsequenzen haben und das komplette Institut in Verruf bringen können. Ganz zu schweigen von den möglichen Folgen für uns persönlich – Syrien war damals sehr streng, wenn es um Kunstraub ging. Wir hätten für Jahre in den syrischen Knast wandern können. Und ich glaube, ich muss nicht extra betonen, dass ein österreichisches Gefängnis dagegen ein Wellnesshotel ist.«
    »Wie ging es weiter?«
    »Harr wollte wissen, wer für diese bodenlose Frechheit verantwortlich war. Der völlig geladene Novak trat vor, und die beiden fingen an, sich gegenseitig zu beschimpfen. Sie haben sich immer mehr und mehr hineingesteigert, und irgendwann ist die Situation dann eskaliert. Ehe wir uns versahen, haben die beiden angefangen zu rangeln. Meinrad wollte noch dazwischengehen, aber da war es schon zu spät. Novak hatte Harr einen Schubser verpasst, Harr ist gestrauchelt und fiel rückwärts in den Graben.« Uhl nahm noch einen Schluck aus der Flasche, so als könnte Payers Schnaps ihm dabei helfen, das Geschehene aus seinem Hirn zu löschen.
    »War er tot?«
    »Klar war er tot. Der Graben war mindestens sieben oder acht Meter tief. Wir haben erst hinuntergerufen, und als keine Antwort kam, habe ich mich zu ihm abgeseilt. Harr lag unten am Boden und hat keinen Mucks mehr gemacht. Aus einer Wunde am Kopf rann Blut – da war nichts mehr zu machen.«
    »Und Sie haben ihn einfach da unten liegengelassen?«
    Uhl seufzte und nickte. »Harr hatte mit allem recht, was er uns vorgeworfen hatte. Wenn unsere dumme Aktion bekannt geworden wäre, hätten wir den Ruf unseres Instituts zerstört und womöglich sogar die politischen Beziehungen zwischen Österreich und Syrien verschlechtert. Wir hätten unsere Karrieren damit beendet, und außerdem hatten wir panische Angst vor der syrischen Polizei.«
    »Also haben Sie Harr einfach in dem Graben liegenlassen und die Geschichte mit der Liebelei erfunden.«
    »Harr hat tatsächlich ständig mit dieser Ghada aus dem Nachbardorf herumgeflirtet, darum haben die anderen die Story auch geglaubt.« Uhl starrte auf den Boden und schaute Morell dann direkt in die Augen. »Bitte! Sie dürfen jetzt kein falsches Bild von mir haben. Wir waren jung, dumm und völlig panisch. Ich weiß, dass es ein Riesenfehler war, den armen Harr einfach dort unten liegenzulassen, aber wir wussten es damals einfach nicht besser. Ich hatte jahrelang ein schlechtes Gewissen und Albträume deswegen.«
    »Wie kommt es denn, dass bis heute niemand dieses Grab und den darin liegenden Harr gefunden hat?«
    »Die Grabstelle liegt erstens sehr abgelegen, in einem Gebiet, das die Archäologen fälschlicherweise als uninteressant eingestuft haben. Darum gab es dort bisher noch keine Grabungen.«
    »Und zweitens?«
    »Zweitens sind wir in der nächsten Nacht noch einmal zurückgegangen, haben den Stein wieder vor den Eingang geschoben und so lange Sand und Erde draufgeschaufelt, bis alles so aussah wie vorher.« Er rollte die Flasche zwischen seinen Händen hin und her. »Ich habe mir ständig vor Augen geführt, dass es ein Unfall war – trotzdem hatte ich lange Zeit schreckliche Schuldgefühle. Wir alle hatten sie. Die ersten Jahre nach dem Vorfall waren die Hölle.«
    Morell kratzte sich an der Nase. »Ich kann ja noch halbwegs nachvollziehen, dass Sie in Panik geraten sind, aber was war mit Harrs Freundin, dieser Theresia? Wie konnten Sie die arme Frau so lange belügen?« Er musste an Frau Horsky denken und wie sehr die Ungewissheit all

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