Zu keinem ein Wort
oder die Namen gänzlich verändert. Alle Orte und historisch bekannten Namen sind dagegen korrekt aufgeführt.
»Zu keinem ein Wort!« Nun habe ich - mit Hilfe von Lutz van Dijk - viele Worte gemacht. Warum? Zum einen erlebe ich es persönlich als eine Art Befreiung, dass ich gesiegt habe über jene, die meine Schwester Jutta, meine Freundinnen Suzy und Rosa, mich und so viele andere damals zwangen, illegal zu leben und bei-nah
unsichtbar zu werden. âºWir leben ewig - und wir sind da!â¹, heiÃt es am Ende eines berühmten Liedes des jungen jiddischen Dichters Hirsch Glik, der nur wenig älter war als ich und kurz vor Kriegsende erschossen wurde.
Cilly Levitus-Peiser im Sommer 2001.
Zum zweiten glaube ich daran, dass Geschichten, die erzählen, wie wichtig es ist, dass junge Menschen frei und mit Liebe und Achtung vor ihren Sehnsüchten aufwachsen können, eine universelle Bedeutung haben: Sie können uns - alten wie jungen Menschen und wo immer wir leben auf dieser Erde - Mut machen, niemals unsere Träume und Hoffungen aufzugeben. Und in diesen Träumen und Hoffnungen können wir einander erkennen, unabhängig von Religion oder Hautfarbe oder Muttersprache oder was auch immer auf den ersten Blick sonst noch so trennend erscheinen mag.
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Cilly Levitus-Peiser
Langen (bei Frankfurt am Main),
im Sommer 2001
ANHANG
EIN BESONDERES MÃDCHEN, EINE UNGEWÃHNLICHE FRAU
Nachwort von Helga Krohn, Jüdisches Museum, Frankfurt am Main
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Im Januar 1995 gab es in Frankfurt ein Wiedersehen besonderer Art. Aus verschiedenen Orten in Israel waren jene wenigen Menschen zusammengekommen, die einmal als Kinder oder Jugendliche im jüdischen Waisenhaus am Röderbergweg gelebt hatten und nach Palästina gelangt waren. Dabei war auch Cilly Peiser. Ihre Schwestern Hanna (heute: Cohen) und Jutta (heute: Rosen) waren extra aus Israel angereist.
Es war zuerst ein Fest der Erinnerung. Viele schöne, auch manche lustigen Episoden wurden aufgewärmt: »Wisst ihr noch...?« - »Könnt ihr euch noch erinnern...?« So begann es. Aber dann gab es auch traurige Augenblicke. Denn viele Kinder aus dem Waisenhaus und zahlreiche Schulfreunde von damals konnten nicht vor der Ermordung gerettet werden. Und das Schlimmste: Fast alle, wie auch Cilly, Hanna und Jutta, berichteten, dass sie die Eltern verloren hatten. Die meisten Kinder waren nämlich keine echten Waisen. Ihre Eltern hatten sie nach Frankfurt geschickt, weil es dort noch jüdische Schulen und Heime für Kinder gab, die mehr Geborgenheit und Schutz versprachen als das Elternhaus.
Allein, unbegleitet von Eltern oder Verwandten, hatten sie als Kinder Deutschland verlassen müssen, weil nach dem November 1938 kein Land mehr kompletten Familien Einreisepapiere ausstellte. Nur für Kinder gab es ab und zu noch Rettungswege: GroÃbritannien, Frankreich, die Niederlande und Palästina (heute Israel) nahmen zusätzlich Kinder auf.
Für die meisten war es 1995 das erste Mal, dass sie wieder in Frankfurt waren. In der kleinen Gruppe half man sich gegenseitig
bei den schmerzlichen Erinnerungen: die Verletzungen und Angriffe durch Mitschüler, Lehrer und Nachbarn; die Verzweiflung der Eltern, die ihre Arbeit verloren und keine Geldreserven mehr hatten und nicht wussten, wohin; die Hilfe und Zuwendung, die sie im Waisenhaus erfuhren, und das Glück, noch zur Schule gehen zu dürfen. Manche berichteten auch vor heutigen Frankfurter Schülerinnen und Schülern. Sie erzählten von den unterschiedlichen Gefühlen beim Weggehen aus Frankfurt - bei den einen überlagerte damals die Abenteuerlust den Trennungsschmerz von den Eltern, bei anderen überwogen die Traurigkeit des Abschieds und die Angst vor der Fremde.
In dieser Gruppe war Cilly Peiser die Einzige, die wieder nach Deutschland zurückgekehrt war. Seit 1957 lebt sie in der Nähe von Frankfurt am Main. In den vergangenen Jahren entstand ein besonders enger Kontakt zwischen ihr und dem Jüdischen Museum. Für Ausstellungen und Publikationen stellte sie Fotos und Informationen zur Verfügung. Vor Schulklassen zeigte sie ihren Film âºDas Nadelöhrâ¹ und stand anschlieÃend Rede und Antwort. Cilly Levitus war ein besonderes Mädchen, das spürte jeder, der ihr zuhörte.
Sie ist heute eine ungewöhnliche Frau. Die 76 Lebensjahre merkt man ihr nicht an, schon gar nicht, wenn sie mit jungen
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