Zu keinem ein Wort
Marx am 10. November 1938 unter dem Tisch im Speisesaal der Jungen vor den Nazis versteckte. Er selbst erwähnt diese Szene nach 1945 nicht, sondern berichtet, wie am 11. November 1938 »mehrere hohe Herren der SS und Gestapo« zu ihm gekommen seien und ihn aufgefordert hätten, noch mehr Kinder, deren Eltern geflohen oder verhaftet worden waren, im Heim aufzunehmen. Sollte er dieser Forderung nicht nachkommen, würde er ebenfalls im KZ landen. Er habe daraufhin um Erlaubnis gebeten, sich um die Unterbringung von noch mehr Kindern im Ausland zu bemühen, was ihm zugestanden worden sei. Sinngemäà zitiert nach: Krohn, Helga (Hg.): Vor den Nazis gerettet. Eine Hilfsaktion für Frankfurter Kinder 1939/40, S. 25 - 26, Frankfurt /M. 1995
5 Ab Mitte November 1938 hat Isidor Marx alles getan, um so viele Kinder wie möglich ins Ausland zu bringen. Insgesamt halfen er und seine Frau rund tausend Kindern bei der Flucht. Bei Kriegsausbruch im September 1939 befand er sich mit einer Kindergruppe in England und kehrte nicht nach Frankfurt zurück. Seine Frau führte das Haus mit einigen Angestellten noch bis Frühjahr 1942 weiter. Dann wurde sie mit allen verbliebenen Kindern von den Nazis deportiert und ermordet. Ende Juni 1942 wurde das Haus geräumt, im späteren Kriegsverlauf von einer Bombe getroffen und in den Fünfzigerjahren abgerissen. Vgl.: Jüdisches Museum Frankfurt (Hg.): Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel, Frankfurt/M. 2000, S. 140 - 142
6 Mosche Frank, geboren 1924 in Fulda, kommt mit dem gleichen Kindertransport wie Cilly am 22. November 1938 in die Niederlande, wo er zunächst in einem Kinderheim in Utrecht wohnt. Während dieser Zeit hat er nach eigenen Angaben auch persönlich Kontakt mit Anne Frank und ihrer Familie und besucht sie einige Male am Merwedeplein in Amsterdam. Nach der deutschen Besetzung taucht
er ab Anfang 1941 unter, wird aber im Februar 1942 festgenommen und ins Lager Westerbork gebracht. Als im Juli 1942 von dort die Deportationen in die deutschen Konzentrationslager in Osteuropa beginnen, gelingt ihm die Flucht. Er arbeitet unter anderem als Kurier für den niederländischen Widerstand und wird erneut aufgegriffen. Bei der Gestapo, der âºGeheimen Staatspolizeiâ¹, wird er auf schlimmste Weise gefoltert und kommt über verschiedene Stationen schlieÃlich ins KZ Bergen-Belsen. Bei der Befreiung 1945 wiegt der junge Mann nur noch 27 Kilo. Es gelingt ihm, nach Palästina zu reisen, wo er den Vater als einzigen weiteren Ãberlebenden seiner Familie wiedertrifft. Ende der Fünfzigerjahre geht er von Israel vorübergehend in die Niederlande, um Biologie zu studieren. Dort lernt er seine Frau kennen und kehrt nach dem Studium nach Israel zurück. Nach seiner Pensionierung zieht Mosche Frank mit seiner Frau 1986 in die Niederlande um, wo er seitdem lebt. Cilly und âºMoâ¹ sind noch heute befreundet.
7 Das jüdisch-orthodox geführte Israelitische Mädchen-Waisenhaus in der Rapenburger Straat 171 in Amsterdam hatte im Jahr 1936 sein 175-jähriges Bestehen groà gefeiert. Seit 1912 leitete die unverheiratete ( Juffrouw = Fräulein) Rebecca Frank das Haus. Geplant für ursprünglich dreiÃig Mädchen, beherbergte das Heim Ende 1938, als Cilly und Jutta eintrafen, zwischen siebzig und achtzig Mädchen. Rebecca Frank war zu diesem Zeitpunkt bereits über sechzig Jahre alt und schwer zuckerkrank. Quelle: Lea Appel: Het brood der doden. Geschiedenis en ondergang van een joods meisjes-weeshuis, Maastricht 1982, besonders S. 52 - 58
8 Aus Korrespondenzen zwischen der Israelitischen Waisenanstalt in Frankfurt, dem Mädchen-Waisenhaus in Amsterdam sowie Vertretern der Jugend-Alijah in Amsterdam und Berlin, von denen Cilly und Jutta als Kinder kaum Kenntnis gehabt haben dürften, geht hervor, dass es Ella Schwarzstein (Tante Ella) im Juli 1939 noch gelungen war, zwanzig zusätzliche Zertifikate für Palästina zu bekommen, von
denen zwei ausdrücklich für Jutta und Cilly ausgestellt waren. Am 4. April 1940 wird schlieÃlich mitgeteilt, dass die beiden Mädchen diese ihnen »bereits zugesprochenen« Zertifikate »durch die Auswanderung nach Holland aber nicht ausnutzen konnten«. Betsy Vromen-Snapper (Frau Vromen) vom Amsterdamer Mädchen-Waisenhaus versucht bis zum 20. Januar 1943 vergeblich, Cilly und Jutta die Auswanderung nach Palästina doch noch zu ermöglichen.
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