Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
»Dann würde nämlich nur eines zum anderen führen …« Sie unterbrach sich, worauf Summer sich fragte, was dieses »eine« wohl wäre und ob ihre Mutter und Kenny es schon getan hatten?
Oje. Summer erhob sich, aber Camille fasste sie sanft am Arm. »Ich dachte, wir wären übereingekommen, uns nicht mehr zu treffen.«
»Nein«, sagte Kenny. »Wir sind übereingekommen, dass Sie darüber nachdenken. Ich habe schon darüber nachgedacht. Ich möchte nach diesen Ermittlungen mit Ihnen ausgehen, ganz gleich, was dabei herauskommt. Und zwar sehr oft.«
»Wenn ich sechzig bin, sind Sie dreiundfünfzig.«
»Und wenn ich hundert bin, sind Sie 107. Im Rechnen sind wir anscheinend ganz gut.«
»O mein Gott.« Camille sah Summer an, ein wenig verängstigt und sehr verloren.
Camille wirkte beunruhigt, weil ihr eigener Rat jetzt auf sie zurückfiel. »Sie sollten sich eine Frau suchen, die Sie heiratet und Ihnen Kinder schenkt«, sagte sie zu Kenny.
»Camille«, antwortete er lachend. »Mir geht’s um ein Sandwich und ein bisschen Konversation. Nicht um ein weißes Kleid und ein weiße Torte und ein neues Service.«
Camille zögerte. »Na ja, unter diesen Umständen hätte ich wohl gegen einen kleinen Imbiss nichts einzuwenden.«
Er stand auf und hielt ihr die Hand hin.
»Einen Moment.« Camille zog Summer zur Seite. »Danke, dass du mir etwas von deinem ungeheuren Mut geschenkt hast.«
Mut? Glaubte ihre Mutter, dass sie mutig wäre?
»Du bist so voller Leben.« Camille lächelte, noch während ihre Augen sich verschleierten. »So wie dein Vater.«
Summer ging das Herz auf. »Mom.«
»Es stimmt. Er hätte so etwas nie getan, ich meine, sich so vor anderen zu verschließen. Vor allem nicht vor dir. Versprich mir, dass du nicht nach mir geraten bist und dich vor anderen verschließt«, flüsterte Camille eindringlich.
Summer beugte sich vor und küsste ihre Mom, erst auf die eine Wange, dann die andere. »Ich hab dich lieb.«
Camille nahm Summer ganz fest in den Arm, trat einen Schritt zurück und umfasste das Gesicht ihrer Tochter. »Es wird alles gut.«
»Ja. Und nun spring.«
Als Camille und Kenny gegangen waren, blickte Summer sich in dem unordentlichen Zimmer um. Nun war sie an der Reihe zu springen. Ohne zu gucken. Ohne Sicherheitsnetz. Ohne etwas anderes als ihren so genannten Mut, verdammt.
Am Abend fuhr Summer zu ihrem Häuschen statt zu Chloes Wohnung. Sie brauchte ein paar Kleider und etwas Zeit für sich allein. Es war dunkel und still, und weil sie körperlich und psychisch erschöpft war, legte sie sich aufs Sofa, schloss die Augen und redete sich ein, sie müsse sich nur ein wenig ausruhen.
Sie wachte mitten in der Nacht auf, als ihr Handy klingelte und eine neue SMS anzeigte.
In der darauffolgenden Stille krampfte sich ihr der Magen zusammen. Es war nie gut, mitten in der Nacht eine Nachricht zu bekommen. So etwas bedeutete meist, dass jemand verletzt, krank oder tot war.
Oder es war Chloe, die sich fragte, wo zum Teufel sie steckte.
Sie griff nach dem Handy auf dem Sofatisch und rief die SMS voll banger Gefühle ab.
Ich habe dich freundlich gebeten. Jetzt bitte ich nicht mehr. Jetzt befehle ich dir. HAU AB.
25
Mit heftig pochendem Herzen tippte Summer Joes Telefonnummer ein.
»Walker«, sagte er und riss sie dadurch aus ihrer gedankenlosen Panik, wie niemand sonst es je vermocht hatte.
Er klang schläfrig … warm und zerzaust, und verdammt, er hatte ihr gefehlt. Er fehlte ihr so sehr. »Ich bin’s nur.«
»Hast du schlecht geträumt?«
Sie fragte ihn nicht, woher er wusste, dass etwas nicht stimmte, es war ja schließlich mitten in der Nacht. Aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, er hätte es auch so gewusst, denn er hatte schon immer eine ziemlich gute Antenne gehabt für das, was in ihr vorging. »Ich hab ein Problem.«
»Definiere es.«
Auf einmal klang er nicht mehr schläfrig, sondern sprach in seinem Fire-Marshal-Tonfall, ruhig und aufmerksam. Bestimmt war sein Blick jetzt ausdruckslos und unergründlich. »Ich habe eine SMS bekommen.« Sie las sie ihm vor.
»Wo bist du?«
Verdammt, sie hatte geahnt, dass er danach fragen würde. »Werd nicht gleich wütend.«
»Red …«
»Ich bin bei mir, im Häuschen.«
»Ich bin gleich da.«
»O nein. Fahr nicht. Es tut mir leid, ich habe nicht gedacht … ich hätte Kenny anrufen sollen. Mir war nur angst und bange geworden. Wie auch immer, ich kann bis morgen früh warten …«
»Schließ die Türen
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