Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
zusammen!«
Als er geendet hatte, standen seine Augen voll Tränen. Er wischte sie mit dem Handrücken weg und sagte: »Ich schäme mich ihrer nicht. Gott ist den Menschen näher als ihre Halsschlagader.«
Am Abend dieses Tages lagen die Knaben noch lange in ihren Betten wach. Sie löschten die Öllampe, aber sie unterhielten sich flüsternd miteinander. Mitten in einem Satz unterbrach sich Muhammad, und ganz unvermittelt entfuhren ihm die Worte: »Sag, Welid, hältst du meinen Vater für einen großen Gelehrten?«
Welid war so verblüfft über diese Frage, dass er nicht antworten konnte. Nie wäre es ihm eingefallen, dergleichen auch nur zu denken. Gab es doch für ihn keinen Menschen, vor dem er eine solche Ehrfurcht hatte wie vor Abu Hafs. Stumm starrte er vor sich hin.
»Ich weiß, was dir durch den Kopf geht«, sagte Muhammad nach einer Weile.« Auch ich zweifle nicht daran, dass mein Vater ein gewissenhafter und gründlicher Forscher ist - aber warum ist sein Unterricht so langweilig, dass ich nur lernte, weil ich mich vor seinem Riemen fürchtete?«
»Allah verzeihe dir«, gab Welid zurück. Da versetzte ihm Muhammad einen Stoß, dass er fast aus dem Bett fiel. »Sei kein Heuchler, dir ging es ebenso.« Welid musste es eingestehn.
Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Welid: »Ich glaube, dass Jachja ein Heiliger ist.« Und Muhammad widersprach nicht.
Abu Hafs größte Sorge war, sich für die Reise das nötige Geld zu beschaffen. Das war in diesem Jahr schwer genug. Zwar hatte er so viel geerntet, dass sein Haushalt über den Winter mit dem Notwendigsten versehen war, aber auch nicht um ein Geringes mehr. Das Futter reichte nicht für den gesamten Viehbestand, man würde mehr Rinder und Schafe schlachten müssen als in andern Jahren. Aber man benötigte das Fleisch auch dringend, um die übrigen Vorräte zu ergänzen. Verkaufen könnte man wohl einige Pferde - aber wer sollte sie kaufen? Ringsum in den Ländern der Gläubigen war die Erde genauso verbrannt und das Futter ebenso rar wie in Andalus, und mit den christlichen Barbaren war der Handelsverkehr gering. Was auch sollte man von ihnen holen? Stellte man dort etwa Gewebe her so fein wie in Persien oder Schwerter, wie jene, die in Damaskus aus indischem Stahl geschmiedet wurden? Oder wuchsen Gewürze dort wie auf den Inseln des Ostmeeres oder Pflanzen, aus denen man Duftstoffe gewinnen konnte wie aus denen Arabiens?
Sklaven konnte man von ihnen einhandeln - ihre Kriegsgefangenen verkauften die Franken gern in die Sklaverei. Und Eunuchen musste man sich dorther besorgen, da der Prophet diese Verstümmelung des Menschen verbot. Es hieß, dass die Christen in Prag und Verdun solche Anstalten unterhielten, weil für einen Verschnittenen das sechs- bis zehnfache dessen gezahlt wird, was ein gewöhnlicher männlicher Sklave einbringt.
Das Blut stieg Abu Hafs zu Kopf, als er darüber nachdachte. Der Prophet (Gott segne ihn!) hatte diese Verstümmelung der Männer verboten und Isa ben Mariam die Vielweiberei. Die Christen also benötigten keine Eunuchen, und die Moslems durften keine erzeugen. Also kauften die Moslems die Eunuchen bei den Christen, und diese erzeugten sie für die Moslems. Keiner hatte dabei die Gebote seiner Religion übertreten, und doch hatte der Teufel sein Geschäft gemacht! Heißt es aber wirklich, ein Gebot halten, wenn man Unwissende und Ungläubige dazu veranlasst, es zu übertreten? Müssten nicht die Anstalten in Prag und Verdun ihre Tore schließen, wenn keine Nachfrage nach ihrer Ware bestünde?
0 ihr Gläubigen, wie soll nicht Allah eure Länder versengen, vielleicht, dass ihr euch mahnen ließet, seine Gebote dem Sinn und nicht nur dem Wortlaut nach zu erfüllen! Denn Sklaven und Eunuchen würde nun wohl kaum jemand einführen - wer auch konnte neue Esser gebrauchen?
Also war es aussichtslos, die Pferde zu verkaufen. Und darum mussten sie über den Winter gebracht werden. Man schlachtet nicht Renner der besten andalusischen Zucht.
Während Abu Hafs in seinen Geschäften unterwegs war, unterrichtete Jachja die Knaben. Nicht nur den Koran brachte er ihnen bei, auch Algebra und sogar Musik lernten sie bei ihm.
Dem Spiel der Zahlen konnte Welid nicht so viel abgewinnen wie Muhammad, der die schwierigsten Aufgaben rasch überblickte, während Welid sich, langsam rechnend, zu den Ergebnissen durchquälen musste. Auch die Musik erläuterte Jachja ihnen durch die Gesetzmäßigkeit ihrer Zahlen, mit der sie sich in die
Weitere Kostenlose Bücher