Zu viele Flueche
kann.«
Nessy gab zu, dass dies ein angemessener Wunsch war. Sie ließ Morton und Olivia beschreiben, was sie vom Ende des Vampirkönigs gesehen hatten. Stoker analysierte ihren Bericht laut.
»Eine Kreatur, die sich von den Untoten ernährt, was? Das ist gar nicht so ungewöhnlich, wie der Laie glauben mag. Vampire haben eine ganze Reihe von Fressfeinden: den Blutrinnendachs, die Mammutmade, die Zerstörerschnecke. Es gibt sogar eine seltene Sorte Karpfen, die für die Untoten ziemlich tödlich ist. Aber Ihrer Beschreibung nach vermute ich, dass die Bestie, der Sie begegnet sind, nicht dazu gehört.«
»Können Sie aufhören, uns zu sagen, was es nicht ist, und endlich zum Punkt kommen?«, fragte Morton.
Die Buchseiten verbogen sich zu einem finsteren Blick. »Wie Sie wünschen. Ich habe lediglich versucht, Sie zu unterrichten und Ihren Horizont zu erweitern, was die faszinierende Welt der Metazoologie angeht. Aber wenn Sie darauf bestehen, unwissend zu bleiben …«
»Diese endlosen Einzelheiten haben meine Energien erschöpft.« Olivia hüpfte auf den Tisch, schloss die Augen und schlief ein.
Stoker verstand den Wink. »Es kann nur eine Kreatur sein, eine Abscheulichkeit, der man so selten begegnet, dass ich sie nie persönlich gesehen habe. Und auch keiner meiner gelehrten Kollegen. Ich hatte sogar bezweifelt, dass sie überhaupt existiert. Aber jetzt …«
Morton war ebenfalls müde, aber da er keine nachtaktiven Instinkte besaß, hielt ihn die Verärgerung wach. »Was ist es?«
Das Buch räusperte sich ein drittes Mal und öffnete sich weit.
»Das ist es! Das haben wir gesehen!« Morton sprang auf die Seiten neben eine Zeichnung von einer dicken schwarzen Wolke mit Klauen und grausamen Augen.
Stoker brummelte, so gut er konnte, ohne sich über der Maus zu schließen. »Natürlich ist es das. Ich bin eine weltweit anerkannte Koryphäe.«
Nessy legte ihn flach auf den Tisch. Das Buch war lächerlich groß, und der Druck auf seinen Seiten war genauso lächerlich groß. Sie nahm an, das sollte die komplizierte Kalligraphie lesbarer machen. Es hätte halb so groß und dabei immer noch absolut zweckmäßig sein können, aber Nessy war schon immer sehr praktisch veranlagt gewesen. Und sie hatte noch keinen Zauberer getroffen, der an dieser Tugend Gefallen fand.
Sie las laut vor: »Höllenhund. Eine Kreatur der Unterwelt, die sich von intransienten Seelen, sowohl materiell als auch immateriell, ernährt. Die Nahrung des Höllenhundes besteht aus Erscheinungen, Geistern, Gespenstern, Ghulen, Irrlichtern, Lamien, Phantomen, Spuken, Todesfeen, Totengeistern, Trugbildern, Wichten, Wiedergängern, Zombies.«
»Da steht nichts von Vampiren«, bemerkte Morton.
Stoker blätterte zu seiner nächsten Seite weiter und schleuderte den Nager damit grob auf den Tisch.
»… und vor allem Vampiren.«
Das Buch knallte sich wieder zu. »In den meisten Fällen verhungert die Bestie recht schnell, aber die Geisterbevölkerung dieses Schlosses bietet eine ideale Umgebung. Die gute Nachricht ist, dass der Höllenhund nur nachtaktiv ist. In den Tagesstunden sucht er sich einen tiefen Schatten, in dem er sich einnisten kann. Und die vielen dunklen Ecken dieses Schlosses verschaffen ihm einen Überfluss an Nistplätzen. Eine höchst interessante Gelegenheit für eine Langzeitstudie.«
»Frisst er Mäuse?«, fragte Morton. »Oder Eulen?«
»Nur geisterhafte. Er hat kein Interesse an den Lebenden und Verstorbenen. Seine Bestimmung ist es, die Balance der metaphysischen Waagschalen herzustellen, indem es die sturen Toten in die Hölle zerrt.«
Der Gehenkte ergriff das Wort: »Ich will nicht in die Hölle.«
»Dann haste eben Pech gehabt, alter Bursche.«
»Wie werden wir ihn los?«, fragte Nessy.
Stoker schnappte dreimal mit seinem Ledereinband. »Eine sehr gute Frage. Leider weiß ich es nicht. Theoretisch sollte er verhungern, wenn er sein Nahrungsangebot erschöpft hat.«
»Aber das könnte Monate dauern!« Mortons Schnurrhaare zuckten. »Ich bin froh, dass ich nicht tot bin.«
»Ich wünschte, ich könnte eine größere Hilfe sein.« Sein Satin-Lesezeichen deutete ein Achselzucken an. »Aber alles andere wären reine Vermutungen, und ich handle mit Tatsachen. Ich rate Ihnen, einen sachkundigeren Fachmann zu Rate zu ziehen. Vielleicht einen Zauberer.«
»Oder einen Dämon«, sagte Nessy.
»Oh, das würde ich nicht empfehlen. O nein. Überhaupt nicht. Meine Informationen über Dämonen sind ausnahmslos unerfreulich.«
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