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Zu viele Flueche

Zu viele Flueche

Titel: Zu viele Flueche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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sehen.
    Die sanfte Stimme einer Frau glitt durch den Schlitz. »Wo ist Margle?«
    Nessy behielt einen klaren Kopf. Sie sagte nicht das Erste, was ihr in den Sinn kam - die Wahrheit -, und fand dafür eine Halbwahrheit, die so nahe an einer Lüge lag, wie sie es bequem und ohne gedankliche Vorbereitung eben hinbekam.
    »Der Meister ist indisponiert.« Sie lächelte höflich. »Kann ich Euch weiterhelfen?«
    Die brennenden Augen und ihre blonden Brauen zogen sich zu einem finstern Blick zusammen. »Ja, sag deinem Meister, dass es überaus unhöflich ist, einen eingeladenen Gast bei seiner Ankunft nicht zu begrüßen.«
    »Wie Ihr wünscht, Madam.« Immer noch lächelnd schloss Nessy den Schlitz.
    »Hat sie gesagt, sie sei eingeladen?«, fragte Thedeus. »Es scheint so.«
    »Lügt sie? Das muss doch gelogen sein!«
    Die fluchbelegten Versammelten schnatterten durcheinander. Schnell wuchs sich dies zu einem dröhnenden Lärmen aus.
    »Ruhe bitte!«, schrie Nessy.
    Sie öffnete den Schlitz noch einmal.
    »Es tut mir leid, Madam, aber der Meister muss Euren Besuch mit dem aufrichtigsten Bedauern verschieben.«
    »Nein.«
    »Wie bitte, Madam?«
    Das Feuer in den Augen der Besucherin loderte auf und kroch mit einem unangenehmen Brandgeruch bis zu ihren Augenbrauen hinauf. »Was glaubt Margle eigentlich, wer er ist? Ich bin Tiama die Narbige, führende teuflische Zauberin des Verbotenen Kontinents. Ich lasse mich nicht so einfach verschieben!«
    »Ja, Madam. Würdet Ihr mich einen Augenblick entschuldigen, Madam?« Sie schloss den Schlitz.
    »Du kannst sie nicht reinlassen«, sagte Sir Thedeus. »Wenn sie herausfindet, dass Margle tot ist, ist für uns alles vorbei.«
    »Sie wird jeden von uns in Nacktschnecken verwandeln«, stöhnte ein Geist. »Ich will keine Nacktschnecke sein!«
    »Besser als seuchenübertragendes Ungeziefer«, grollte die Nacktschnecke, die ihrem dramatischen Abgang inzwischen siebzehn Zentimeter näher gekommen war.
    »Woher wollen wir überhaupt wissen, dass sie eingeladen war?«, fragte die Wolke. »Es könnte sein, dass sie lügt.«
    »Ja, ja.« Ein Rabe mit der Neigung, sich zu wiederholen, stimmte ihr zu. »Sie ist eine Lügnerin, Lügnerin. Margle würde nie jemanden einladen, einladen.«
    Die Wolke ergraute. »Sie will hereinkommen und das Schloss plündern. Uns für grausige Experimente entführen.«
    Die Schnake schrie mit aller Kraft: »Wenn das der Fall wäre, würde sie dann nicht einfach hereinkommen? Warum deshalb lügen?« Wäre die Eingangshalle ruhig gewesen, wäre sie vielleicht sogar gehört worden.
    »Ich wüsste nicht, warum sie lügen sollte«, sagte Nessy. »Wenn sie wollte, könnte sie sich einfach hereindrängen. So oder so muss ich sie hereinlassen, wenn sie nicht wieder geht. Falls sie weiß, dass Margle tot ist, würde das schließlich nicht viel ändern. Und falls sie es nicht weiß, könnte sie Verdacht schöpfen, dass hier etwas nicht in Ordnung ist, wenn wir sie abweisen.«
    Sir Thedeus stimmte ihr zu: »Ich verstehe, worauf du hinauswillst, Mädel. Aber wenn die Hexe erst einmal …«
    »Zauberin«, korrigierte die Schnake, aber Sir Thedeus fuhr fort, ohne sich zu unterbrechen.
    »… hier drin ist, wird sie dann nicht merken, dass da was nicht stimmt?«
    Das war sehr richtig, und zustimmendes Gemurmel erfüllte die Eingangshalle. Aber Nessys Meinung nach war dies ein Dilemma, mit dem sie sich später auseinandersetzen mussten.
    Ihrer Meinung nach waren alle Probleme in drei Kategorien aufzuteilen. Es gab gegenwärtige Probleme, die eine sofortige Aufmerksamkeit verlangten. Es gab die baldigen Probleme, die schnell zu gegenwärtigen Problemen werden konnten, wenn man sie nicht mit Bedacht behandelte. Und es gab spätere Probleme, die es nicht wert waren, dass man sich wegen ihnen sorgte, denn sie wurden vielleicht zu gegenwärtigen Problemen oder auch zu baldigen Problemen oder, wenn sie Glück hatte, vielleicht auch zu Niemals - Problemen.
    Niemals-Probleme hatten einen unsichtbaren vierten Platz in diesem Spektrum inne, aber da es Schwierigkeiten waren, die eben niemals existierten, hatte sie sie nie bewusst definiert. Sie war für eine so abstrakte Philosophie viel zu praktisch veranlagt. Wenn im Wald von Nessys Phantasie ein Baum umfiel, grübelte sie kaum, was für ein Geräusch er wohl verursachte - oder auch nicht. Sie machte sich einfach daran, ihn zu Feuerholz zu hacken.
    Es klingelte wieder. Tiama die Narbige ging nicht, und alle Zauberer, die Nessy je

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