Zu viele Flueche
in Anwesenheit einer diabolischen Zauberin empfinden musste.
»Du bist die Kreatur, die sich um dieses Schloss kümmert, nicht wahr?«
»Ja, Madam.«
»Dann kennst du dich hier ja sicher aus.« Tiama lächelte möglicherweise. »Du wirst mir ein paar Wunderdinge zeigen, wenn sich dein Meister nicht mit der üblichen Höflichkeit abgibt.«
Wieder zögerte Nessy. Sie hatte gehofft, etwas Zeit zu gewinnen, um das Schloss für Tiamas Besuch vorbereiten zu können. Ein oder zwei Stunden für die Planung wären hilfreich gewesen. Aber das Leben lief nicht immer nach Plan. So ungern Nessy es auch zugab, aber sie akzeptierte dies als eine unleugbare Tatsache. Sie hatte viele wichtige Dinge zu tun: ein paar Flure fegen, einige Bestien füttern, das Abendessen vorbereiten, Magie studieren, Die Tür Am Ende Des Flurs finden, einen Höllenhund töten und dem Monster unter ihrem Bett vorlesen. Und das waren nur die Aufgaben, die ihr spontan einfielen.
Aber Tiama die Narbige verkörperte die drängendste ihrer Sorgen. Also passte Nessy ihren Zeitplan entsprechend an. Ein paar Flure würden staubig bleiben. Abendessen konnte es ein wenig später geben. Die Tür Am Ende Des Flurs würde noch eine Weile verschwunden bleiben. Der Höllenhund konnte noch eine Nacht lang herumstreifen. Und das Monster unter ihrem Bett musste warten.
»Nessy, wollen wir anfangen?«, fragte Tiama.
»Ja, Madam. Hier entlang, bitte.« Nessy drehte sich um, rutschte auf dem schleimigen Schwanz einer Schnecke aus und stieß sich das Schienbein am Steinboden. Die Zauberin bekundete weder Humor noch Sorge, als Nessy aufstand.
»Geht vorsichtig, Madam.«
Sie ließ sich auf alle viere fallen, um ihr geprelltes Bein zu entlasten, und führte Tiama dann aus dem Raum.
Die Nacktschnecke hielt in ihrem eiligen Lauf inne, um Luft zu holen. Mit hängenden Augenstielen sank sie in sich zusammen. »Ich wäre lieber eine Ratte«, gestand sie sich ein.
»Auch Nager haben Probleme«, sagte die Schnake.
Diese Worte wären ein echter Trost für die Schnecke gewesen - wenn sie sie gehört hätte.
Statt ihre gesamte Zeit zu verschwenden, beschloss Nessy, Tiama die vielen raren und magischen Wesen, die Margle gehörten, zu zeigen. So konnte sie die Bestien füttern und außerdem dafür sorgen, dass Tiama möglichst wenig mit den Bewohnern des Schlosses in Berührung kam. Nur wenige von ihnen durchstreiften das Bestiarium. Der Ort war zu gefährlich für beiläufige Besuche. Und Nessy hoffte kurz, es möge ein Unfall geschehen. Tiama konnte einen leichtsinnigen Fehler machen und gefressen werden. Nessy räumte dem zwar keine großen Chancen ein, aber es war doch möglich.
Tiama sprach wenig. Wenn sie es aber tat, dann nur, um vage Kommentare abzugeben. Die meisten Kreaturen waren interessant. Andere waren kurios. Ein paar wenige waren drollig. Nur das Grässliche Grauen wurde für amüsant befunden.
»Vorsicht bitte, Madam.« Nessy nahm einen Eimer von ihrem Wagen und leerte seinen blättrigen Inhalt in die dunkle Grube. »Hier haben wir eine der furchtbareren Kreationen des Meisters: den Schrecklichen Säbelzahnkoala.«
Tiama beugte sich vor. Jemand hätte sie ganz leicht stoßen können. Es gab keine Garantie, dass die Zauberin durch den Fall oder das riesige, kuschelige Gräuel am Grund der Grube starb. Aber Nessy dachte nicht über die Konsequenzen solch einer Tat nach. Der Gedanke, den erhofften Unfall herbeizuführen, kam ihr niemals in den Sinn. Sie hatte mehr als genug damit zu tun, das Lügen nicht zu vergessen.
Sir Thedeus hätte es vielleicht vorgeschlagen, aber er hatte sich auf ihrem Rücken unter ihrem Hemd in Sicherheit gebracht.
Tiama beugte sich weiter vor, bis es sicher schien, dass sie abstürzen würde. Dann beugte sie sich noch etwas weiter vor, bis ihr starrer Körper in einem Winkel über der Grube schwebte, der der Schwerkraft trotzte. Und falls Nessy einen Schubs geplant hätte, wäre ihr jetzt bewusst geworden, dass er zum Scheitern verurteilt war.
Tiama rieb ihre Hände aneinander, und tanzende Funken fielen, um die Grube zu erleuchten. Der Säbelzahnkoala wich vor dem Licht zurück, während er sich weiter Blätter in sein sabberndes Maul stopfte.
»Interessant.« Ein ausdrucksloser, neutraler Tonfall war das, was bei Tiama Freundlichkeit am nächsten kam.
Nessy wartete geduldig, bis die Zauberin ihre Musterung dieser letzten Darbietung von Margles Grässlichkeiten beendet hatte. Als Tiama schließlich fertig war, glitt sie wieder
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