Zu viele Morde
»Irgendwelche Neuigkeiten aus der Rechtsmedizin, Patsy?«
»Die Vergiftungsfälle sind alle durch«, sagte Patrick. »Bei Peter Norton wurde genug Strychnin festgestellt, um ein ganzes Pferd umzuhauen. Es war im Orangensaft. In seinem Blut befanden sich keine anderen Anzeichen toxischen Herumpfuschens innerhalb der letzten Zeit, was für Mrs. Nortons angebliche Unschuld spricht, genauso wie die Wahl des Giftes. Es muss schon jemand mit einem sehr starken Magen sein, der etwas derart Schreckliches wie Strychnin überstehen und dann dort bleiben kann, um dem Tod bei seiner Arbeit zuzusehen.«
»Da stimme ich dir zu, Patsy. Es spricht für sie, dass sie nach oben gegangen ist, um die Kinder für die Schule fertigzumachen.«
»Das hat sie zumindest behauptet.«
»Die Kinder sagen dasselbe. Sie sind noch zu jung, als dass man sie zu Komplizen machen könnte. Was sie alle nach untengeholt hat, war das Geräusch, das ihr Vater gemacht hat, und obwohl Mrs. Norton sie weggescheucht hat, haben die beiden zugesehen, wie er starb. Ich tendiere dazu, Mrs. Nortons Geschichte zu glauben; dass sie den Orangensaft gepresst hat, bevor sie nach oben gegangen ist, und dass sie zehn Minuten dort oben war, bis sie hörte, wie ihr Mann nach unten ging, um zu frühstücken.«
»Giftmorde sind typisch für Frauen«, sagte Patrick.
»Normalerweise ja, aber nicht immer. Warum denkst du trotzdem, dass der Mörder in diesem Fall keine Frau war?«
»Das Zeitfenster. Wortwörtlich, da der Saft nur durch das Küchenfenster gesehen werden konnte, aber man nicht an ihn herankam. Spontan eine sich unerwartet bietende Möglichkeit ergreifen ist nicht typisch weiblich, aber genau das ist es, was der Mörder in diesem Fall tun musste. Den Saft sehen, durch die Gartentür eindringen, eine ordentliche Dosis Strychnin unterrühren und dann wieder weg. Was, wenn jemand heruntergekommen wäre? Wenn er entdeckt worden wäre, hätte er eine überzeugende Story haben müssen. Nein, bei diesem Mörder handelt es sich um einen Mann.«
»Chauvinist«, meinte Carmine. »Was ist mit Dekan Denbigh?«
»Zyankalikristalle, gemischt mit Jasminteeblättern in einem perfekt verschlossenen Teebeutel, der wiederum in einem hermetisch versiegelten Papierpäckchen, von dem meine Techniker vor Gericht schwören würden, dass es nur einmal geöffnet worden ist – und zwar von Dean Denbigh selbst. Und der Teebeutel ist mit der Maschine zugenäht worden, nicht getackert – und das nur einmal, schwören die Techniker. Alle vier Studenten, die zu seinem Kaffeeklatsch eingeladen waren, waren Männer.«
»Während seine Frau, Dr. Pauline Denbigh, ihren eigenenKaffeeklatsch um die Ecke in ihrem Büro abhielt«, sagte Carmine. »Und ihre Gäste waren alles Frauen.«
»›Klatsch‹ ist respektlos«, sagte Patrick. »Zugegeben, man kann einen Morgenkaffee schlecht eine Soiree nennen, trotzdem nehme ich an, es war eher so etwas – mit Gedichten, die vorgelesen wurden und so.«
»Es sollte eigentlich eine Matinee sein, aber der Begriff ist schon belegt. Wie wäre es mit ›Morgendliche Rezitation‹?«
»Deine englische Lady schlägt bei dir durch.«
»Aber du kannst sie inzwischen besser leiden oder, Patsy?«
»Natürlich kann ich das. Desdemona passt perfekt zu dir, und schon allein deswegen liebe ich sie. Ich vermute, dass ich es einfach seltsam fand, wenn eine Frau so groß ist, und dann diese gestelzte englische Art. Aber inzwischen weiß ich, dass sie mutig und intelligent ist. Und außerdem ist sie sexy«, sagte Patrick.
»Gab’s noch was in Denbighs Blut?«, fragte Carmine.
»Nein, nichts.«
»Was ist mit Desmond Skeps?«
Patricks Gesicht leuchtete auf. »Oh, er ist ein Prachtexemplar, Carmine. Er hatte keine Langzeitdrogen oder Toxika im Blut, aber an seinem Todestag hat er einen Cocktail erhalten.«
»An dem Tag?«, fragte Carmine und runzelte die Stirn.
»Ja, ich glaube, der ganze Mordverlauf hat lange vor Sonnenuntergang stattgefunden, als er ein Glas Single-Malt Scotch getrunken hat, das mit Chloralhydrat versetzt worden war. Während er bewusstlos war, wurde ihm eine Infusionskanüle in die linke Ellenbeuge gesetzt und mit Heftpflaster fixiert. Dort blieb sie bis zu seinem Tod.«
»Dieselbe Methode wie bei Mrs. Cartwright?«
»Oberflächlich betrachtet, ja. Die Ähnlichkeit endet jedoch mit dem Setzen der Infusion. Mrs. Cartwright wurde getötet,sobald die Nadel sich in der Ader befand, aber Skeps erlitt ein anderes Schicksal. Er wurde intubiert,
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