Zu viele Morde
Sandra, dann Erica. Er greift immer daneben.
»Haben Sie genug?«, fragte er Erica, als er bei ihr ankam.
Sie blickte ihn überrascht an. »Sieht man das?«
»Nicht wirklich. Aber Sie haben nicht die Gabe des Smalltalks und sind auch nicht besonders motiviert, sie zu erlernen.«
»Wollen Sie andeuten, dass ich versuchen sollte, mich zu motivieren?«
»Wenn Sie es mit Myron ernst meinen, dann ja. Er lebt in einer Welt des Smalltalks, des Geplänkels und der Kungelei. Wo haben Sie sich kennengelernt?«
»In New York, bei einer Vorstandssitzung von Hardinge’s, der Bank. Ich fand Myron auf Anhieb unglaublich attraktiv.«
»Sie und die halbe Frauenwelt. Er hat Ihnen zweifellos erzählt, dass er mit meiner Exfrau verheiratet ist?«
»Ja. Ich gestehe, ich kann mir kaum vorstellen, wie Sie und er jemals Augen für dieselbe Frau gehabt haben können.«
»Oh, das kommt daher, dass Sie nicht wissen, wie Sandramit zwanzig war. Ihnen sehr ähnlich, allerdings ohne Ihren Verstand. Aber sie hatte etwas an sich, durch das sie sehr verloren wirkte und jedem Mann das Gefühl gab, sie schützen zu wollen. Sophia ist ihrer Mutter in dieser Hinsicht sehr ähnlich, aber ihre Intelligenz kaschiert das.«
»Sehr gut. Ich verabscheue dumme Frauen«, sagte Erica mit scharfer Zunge.
»Dummheit ist doch aber sicher kein Kriterium, jemanden nicht zu mögen.«
»Für mich schon.«
»Also sind Sie froh, dass Sophia intelligent ist.«
»Ja. Sie hasst ihr Gesicht nicht, aber sie lässt es auch nicht über ihr Schicksal bestimmen.«
»Sie sehen Sophias Schönheit mit ihren eigenen Augen – als ein Werkzeug, wenn Sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Aber Sophia ist ganz anders. Sie sieht ihr Gesicht als einen Teil des Ganzen. Sophia denkt nicht in Schubladen.«
»Sie kriegen meine Worte immer in den falschen Hals«, blaffte Erica Davenport, drehte sich um und entdeckte zwei neue Gäste. »Philomena, Tony!«
Carmine zog sich auf einen guten Beobachtungsposten zurück und schaute zu, wie Erica Philomena Skeps und Anthony Bera zu Myron führte. Myron, immer wieder erfreut, neue Gesichter zu sehen, begrüßte sie mit dem ganzen Elan eines Gastgebers, der seine ersten Gäste willkommen heißt anstatt seine letzten.
Philomena, entschied Carmine, war wahrscheinlich fünf Jahre jünger als Erica und stellte die Eiskönigin ganz klar in den Schatten. Genau wie Delia trug Philomena ein taillenbetontes Kleid mit pinkfarbenen Rüschen, aber da hörten die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Ungeachtet dessen, was sie über Skeps’ Knauserigkeit erzählt hatte, trug sie ein Set erstaunlicher,roséfarbener Diamanten. Sie und Bera waren das perfekte Paar.
Myron zog Bera fort, um ihm den Bürgermeister vorzustellen, während Erica und Philomena begonnen hatten, sich zu unterhalten. Sie schienen sich freundlich gesinnt zu sein, und das Lächeln der beiden wirkte echt, aber Carmine hatte trotzdem das Gefühl, dass der Inhalt ihrer Worte alles andere war als seicht und freundlich. Ein Glas Champagner wurde abgelehnt, ein chilenischer Rotwein jedoch angenommen. Erica flatterte um Desmond Skeps’ Exfrau herum wie eine nervöse Braut um eine grimmige Schwiegermutter. Hummer? Nein? Hühnchenpastete? Nein? Diese wundervolle Bauernterrine? Oh, gut!
Schließlich löste sich Bera aus Myrons Umklammerung und rettete Philomena, begleitete sie zu einem Stuhl, fand einen Beistelltisch, reichte ihr das Glas Rotwein und stellte den Teller auf den Tisch. Nachdem sie sich gesetzt hatte, nahm er hinter ihr Position ein und folgte Erica Davenport mit seinen Blicken, wo immer sie auch hinging. Phil Smith kam herüber, gemeinsam mit seiner Frau, die Philomena mit der ganzen Pracht ihres braunen Pfannkuchen-Hutes begrüßte.
Smith hielt sich nur kurz bei Philomena auf. Seine Frau, die arme Seele, war nicht glücklich darüber, dass sie einfach so weggezerrt wurde und versuchte zu bleiben, aber Smith scheuchte sie fort, in der Angst, sie könne irgendetwas Unpassendes von sich geben. Sie wurde durch Delia gerettet, die in ihr wegen ihrer Kleidung eine Seelenverwandte erkannte und sie dem Griff ihres Ehemannes entwand. Gemeinsam zogen die beiden am schlechtesten gekleideten Frauen von dannen. Gus Purves und Fred Collins machten als Nächstes ihre Aufwartung, Collins ohne Candy. Anthony Bera begrüßte sie steif, verfiel dann in Schweigen und hörte Philomena zu. Als Collins, inzwischen betrunken genug, um zu torkeln, sich begannaufzuregen, glitt Bera schnell vor
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