Zuckerblut
Firmenschild versehen war. Eine Frau in weißer Arbeitskleidung öffnete.
Lindt stellte sich und Wellmann vor: »Guten Tag, Kripo Karlsruhe, haben Sie bei uns angerufen?«
»Ja, wegen meiner Kollegin. Das Zeitungsbild ...«, die Frau ging den beiden Kommissaren voran ins Büro. »Es könnte Andrea sein. Ziemlich sicher sogar, Andrea Helmholz, sie arbeitet hier bei uns als Krankenschwester. Im Moment hat sie frei. Nachdem ich die Zeitung gelesen hatte, habe ich ein paar Mal versucht, bei ihr anzurufen. Sie war aber nicht zu erreichen und da habe ich mich gleich bei der Polizei gemeldet.«
Lindt antwortete: »Sie haben leider Recht mit ihrer Vermutung. Es handelt sich um Ihre Kollegin, die gestern Morgen tot aufgefunden wurde. Wir wissen auch sicher, dass sie keines natürlichen Todes gestorben ist und genau deswegen sind wir jetzt hier. Erzählen Sie uns doch bitte alles, was Sie über Andrea Helmholz wissen.«
Erstaunlicherweise gab es fast nur Dienstliches zu berichten. Schon lange Jahre in der Firma, sehr engagiert und zuverlässig, bei den Patienten überaus beliebt, fachlich immer auf dem neuesten Stand, eine Spitzen-Arbeitskraft eben. Von Schwester Andreas Privatleben dagegen wusste ihre Kollegin fast nichts.
»Ich kenne gerade mal ihre Telefonnummer, die Adresse und glaube, dass sie aus Darmstadt stammt, wo ihre Eltern noch wohnen. Sonst rein gar nichts. Wenn wir im Kollegenkreis ab und zu gemeinsam essen gingen, konnte man sich mit ihr nur über Dienstliches unterhalten – kaum jemals etwas Persönliches. Ob sie ganz alleine lebte oder einen Freund hatte, keine Ahnung. Es ist aber auch nie jemand anderer bei ihr ans Telefon gegangen. Sie gab auf Fragen nach ihrem Privatleben immer nur ausweichende Antworten und irgendwann fragt man eben nicht mehr.«
»Dann gab es auch im Kreis der Mitarbeiter hier niemanden, mit dem sie engeren Kontakt gehabt hätte?«, fragte Lindt weiter. »Gemeinsame Unternehmungen oder Reisen etwa?«
»Nein, keiner, aber Reisen ... gut, dass Sie das ansprechen. Sie ist sehr viel gereist und war oft lange weg. Manchmal hat der Urlaub nicht gereicht, da nahm sie noch zusätzlich ohne Bezahlung frei. Erzählt hat sie uns aber überhaupt nichts – wo sie hinfuhr, was sie da gemacht hat, keine Ahnung. Sie schickte auch keine Ansichtskarten. Ach ja, eine Kollegin hat sie vor einem halben Jahr mal zufällig auf dem Hauptbahnhof alleine in einen Fernzug steigen sehen. Kurswagen bis Budapest, hat sie uns dann berichtet, aber von Andrea selbst konnte man rein gar nichts erfahren.«
»Was für ein Mensch war die Frau Helmholz denn?« Lindt wollte ein möglichst umfassendes Bild von der Persönlichkeit der Toten bekommen. »War sie launisch oder eher ausgeglichen? Gab es mal Ärger mit anderen Mitarbeitern? Welchen Eindruck machte sie?«
»Wir haben uns oft darüber gewundert, wie freundlich sie war. Nie mürrisch oder gereizt, auch immer hilfsbereit, mal ein paar Überstunden zu machen, wenn jemand ausfiel – alle mochten sie gern. Sie machte eigentlich ...«, die Krankenschwester überlegte kurz, »eigentlich einen richtig zufriedenen Eindruck. ›Die Andrea ruht in sich selbst‹, hat unser Chef mal ausgedrückt, wie wir alle sie erlebt haben.«
»Ach ja, Ihr Chef, der Herr Weinbrecht, wo finden wir den denn?«
»Der ist mit seiner Frau für ein paar Tage weggefahren.«
»Und Sie vertreten ihn?«
»Normalerweise arbeite ich auch in der Pflege, als Krankenschwester, wie Andrea. Wenn aber sonst keiner da ist, mache ich die Personaleinteilung für die Pflegetouren und nehme Telefonanrufe entgegen.«
»Also quasi die Verwaltung«, nickte Lindt.
»Nein, nein, das macht der Chef alles selbst. Abrechnungen mit den Krankenkassen oder Pflegeverträge für neue Patienten. Ich halte nur den Betrieb am laufen. Meistens fahren die beiden ja nur wenige Tage weg, das geht dann schon.«
»Zugang zu den Personalakten haben Sie wohl nicht?«
»Oh nein, so wichtige Unterlagen sind im hinteren Büro. Es ist auch immer abgeschlossen, da kommt niemand von uns ran. Auch die Frau Weinbrecht arbeitet dort, aber meistens für ihren Verein, den kennen Sie doch bestimmt: ›Kindernothilfe-Südost‹.«
Lindt runzelte die Stirn: »Habe ich schon mal gehört ... aber ich weiß jetzt nicht mehr genau, in welchem Zusammenhang.«
»Doch, Oskar«, meldete sich jetzt Paul Wellmann zu Wort, der während der bisherigen Unterhaltung intensiv mitnotiert hatte. »Der Verein ist sehr bekannt. Die unterstützen
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