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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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vorderen Büro umgestellt und sich jegliche Störung für die nächsten zwei Stunden verbeten.
     
    Es gab eigentlich erstaunlich wenig Personen, die mit der Ermordeten in irgendeiner Beziehung gestanden waren. ›Die überwiegende Zahl der Taten sind Beziehungsdelikte, sagt die Statistik‹, grübelte Lindt vor sich hin. ›Meistens haben sich Täter und Opfer gekannt – aber wen kannte die Schwester Andrea denn? Außer Patienten und Arbeitskollegen nicht viele andere Personen!‹
    Ein Außenstehender, der den Kommissar bei der innerlichen Diskussion mit sich selbst beobachtet hätte, wäre ob dessen Geisteszustandes leicht in Zweifel gekommen, so ausdrucksvoll war Lindts Mienenspiel, wenn er einzelne Aspekte gegeneinander abwog. Manchmal bewegten sich nur seine Lippen oder er legte die Stirn auf verschiedenste Art in Falten. Ab und zu drang neben dem Pfeifenmundstück auch ein halblauter Satz heraus.
    Ein Mann, ja, ziemlich sicher war es ein Mann, nach dem er suchen musste. Oder? Er zweifelte.
    Eine kräftige, durchtrainierte Frau könnte eine weibliche Leiche vielleicht auch ein Stück durch den Wald schleifen. Achtundfünfzig Kilo – schafft das nur ein Mann, oder auch eine Frau?
    Aber von der Wohnung bis ins Auto, ohne Spuren zu hinterlassen? Nur ein Mann!
    Allerdings war es ja nicht sicher, dass die Wohnung der Tatort war. Wahrscheinlich? ... Mag sein ...
    Also konnte doch auch eine Frau in Frage kommen. Oder zwei Frauen? Ein Mann und eine Frau?
    Aber die Todesart! Erwürgen! Mit bloßen Händen ... Lindt schlug im Bericht der Gerichtsmedizin nach. ›Die Würgemale lassen auf relativ große und kräftige Hände schließen‹, stand da zu lesen.
    ›Relativ? Was ist relativ? Bin ich denn Einstein?‹ fragte er sich.
    Irgendwie musste es aber weitergehen und so beschloss der Kommissar, dass es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann sein musste, den er mit seinem Team zu suchen hatte.
    Wo suchen? In der Umgebung der Toten?
    Nachbarn? Sie hatte wohl eher zurückgezogen gelebt. Die Kollegen waren noch beim Klinkenputzen. Vielleicht ergab sich ja ein Hinweis, aber je größer der Wohnblock, umso unpersönlicher war alles und umso weniger kannten sich die Mieter.
    Bekannte? Fehlanzeige, bis jetzt wusste er noch überhaupt nichts darüber, wie und mit wem Schwester Andrea ihre Freizeit verbracht hatte.
    Berufliches Umfeld? Lindt sah zwei Alternativen: Patienten oder Kollegen.
    Durchaus vorstellbar, dass er bei den von Schwester Andrea betreuten Patienten suchen musste. Welche Zusammenhänge wären hier denkbar?
    Der Kommissar nickte lautlos, wie wenn er seine eigenen Gedanken bestätigen wollte und tippte in das Notebook:
    - Langjährige häusliche Pflege derselben Personen
    - nähere Beziehungen auch zu den Angehörigen
    - Einblicke in die Familienverhältnisse
    ›Durchaus denkbar ...‹, ging ihm durch den Kopf, ›... die Angehörigen helfen unauffällig nach, damit die schon viele Jahre als Last empfundene bettlägerige Oma schneller ins Jenseits kommt. So etwas kann eine Krankenschwester, die täglich kommt, möglicherweise bemerken. Wenn sie diesen Verdacht dann unbedacht äußert ...‹
    Ein Fall, der sich vor zwölf Jahren auf einem Bauernhof im Kraichgau ereignet hatte, kam Lindt wieder ins Gedächtnis. Damals war ein sechzigjähriger Landwirt durch die Heuluke acht Meter tief auf den Beton des Scheunenbodens gestürzt und sofort tot gewesen. Ein morsches Holzbrett am Geländer wurde schnell als Ursache für den angeblichen Unglücksfall festgestellt und die ersten Ermittlungen konnten auch keine Beweise dafür erbringen, dass jemand nachgeholfen hätte.
    Lindt bemerkte aber wohl, dass die Familie nicht besonders stark trauerte und eher erleichtert war, den ungeliebten Großvater, der alles bestimmte, seinem Sohn nur einen Hungerlohn für dessen Arbeit bezahlte und sich standhaft gegen eine Hofübergabe sträubte, endlich los zu sein. Dieser Umstand ließ den Kommissar nicht ruhen und obwohl auch die Kollegen des örtlichen Polizeipostens einen Unfall als bewiesen ansahen, ermittelte er weiter.
    In intensiven mehrmaligen und getrennten Verhören verwickelten sich die Angehörigen dann immer mehr in Widersprüche und schließlich gestand der Sohn, den Vater im Streit gegen das brüchige Geländer gestoßen zu haben.
    ›Durchaus denkbar, dass sich so etwas auch bei pflegebedürftigen alten Menschen abspielt‹, murmelte Lindt halblaut und begann sich auszumalen, wie denn die böse Schwiegermutter um die

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