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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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allerdings nur selten besucht, ein paar Mal im Jahr, zu Weihnachten und an unseren Geburtstagen. Dann kam sie immer mit der Bahn, denn ein Auto hatte sie nicht. Den kleinen Geschäftswagen des Pflegedienstes, bei dem sie gearbeitet hat, konnte sie aber auch mal privat benutzen.«
    »Ach so«, unterbrach Lindt den Vater, »sie hat nicht in einem Krankenhaus, sondern in der ambulanten Pflege gearbeitet.«
    Die Mutter nickte: »Da betreute sie dieselben alten und gebrechlichen Leute oft über einen langen Zeitraum. Sie hat uns gelegentlich von ›ihren‹ Patienten erzählt. Manche pflegte sie jahrelang. Viele waren bettlägerig, eine schwere Schufterei, aber das war ihr lieber als der hektische Krankenhausbetrieb.«
    »Sie hätte schon oft die Möglichkeit gehabt, weiterzumachen, sich fortzubilden«, berichtete der Mann weiter. »Pflegedienstleitung oder wie man das nennt, aber das wollte sie nicht. Es hätte viel Büroarbeit und wenig Kontakt mit den Menschen bedeutet und gerade der war ihr doch so wichtig. Alle mochten sie ...« Er schnäuzte sich geräuschvoll die Nase. »Wir können es nicht verstehen.«
    »Möglicherweise«, fuhr Lindt fort, »ist das Verbrechen in der Wohnung Ihrer Tochter passiert. Kennen Sie sich dort aus? Hatte sie vielleicht Wertsachen zuhause?«
    »Wertsachen?«, die Eltern sahen sich an. »Können wir uns eigentlich nicht vorstellen. Unsere Tochter hat sehr viel Geld für ihre Reisen ausgegeben. Die waren sicher nicht billig. Den Urlaub hat sie oft am Stück genommen, manchmal sogar noch zusätzlich unbezahlt und dann fuhr sie immer gleich für mehrere Wochen weg. Ein paar Mal im Jahr, immer mit dem Zug. Sie ist nie geflogen. Aber wir haben Postkarten aus ganz Europa von ihr bekommen.«
    »Und immer ohne Begleitung«, fügte die Frau an. »Das hat uns oft zu schaffen gemacht. So ganz alleine unterwegs, aber seit ihr Freund damals – ach das sind ja schon mehr als zehn Jahre – also seit er sie verlassen hat, wollte sie sich einfach an niemanden mehr binden. Auch nicht bei einer Reise.«
    »Hat sie in dem Zusammenhang etwas von Bekanntschaften erzählt?«, wollte Paul Wellmann wissen. »Von Leuten, die sie unterwegs getroffen hat?«
    »Nein, nie! Wir haben sie ab und zu mal vorsichtig danach gefragt, aber bei diesem Thema hat sie immer abgeblockt«, antwortete der Vater. »Wir hätten uns für Andrea schon eine Familie gewünscht, Enkel natürlich, aber die Enttäuschung damals ...«
    »Lebt der frühere Freund Ihrer Tochter noch hier?«, fragte Lindt.
    »Ach, Sie denken, der hätte etwas damit zu tun?« Die Mutter schüttelte energisch den Kopf. »Bestimmt nicht. Der kam ja auch aus Darmstadt, in Karlsruhe hat er früher nur gearbeitet. Seit einigen Jahren wohnt er wieder bei uns in der Nähe – mit Frau und drei Kindern im Haus seiner Eltern.«
     
    Lindt bestellte einen Zivilwagen, um das Ehepaar zur Wohnung ihrer ermordeten Tochter zu bringen. Anschließend informierte er Jan Sternberg über Handy und bat ihn, die beiden dort in Empfang zu nehmen.
    Lindt drehte sich zu Wellmann um. »Und wir beide, Paul, werden jetzt mal beim Arbeitgeber nachfragen. Da müsste doch auch jemand bemerkt haben, dass die Frau nicht zum Dienst gekommen ist.«
    »Hier, Oskar«, zeigte er mehrere schriftliche Meldungen, die ein Bote vor einiger Zeit hereingebracht hatte. »Die Patienten haben ihre Pflegerin auf den Bildern in der Zeitung und im Fernsehen erkannt. Das sind alles Anrufe von Leuten, bei denen die Schwester Andrea jemanden in der Familie gepflegt hat. Auch eine Arbeitskollegin von ihr hat sich vor ein paar Stunden vom Büro der Firma aus gemeldet.«
    Lindt überflog die Berichte kurz und beschloss dann, direkt zu dem privaten Pflegedienst zu fahren.
     
    Nach einer Viertelstunde erreichten sie im Vorort Hagsfeld ihr Ziel. Direkt an einer viel befahrenen Durchgangsstraße gelegen, erkannten sie den Firmenparkplatz schon von weitem. Mehrere farbenfroh und auffällig lackierte Ford-Ka-Kleinwagen stachen sofort ins Auge. ›Pflegedienst Weinbrecht – Mit Herz und Verstand‹ war auf allen Seiten der Autos zu lesen.
    »Ideale Werbung direkt an der Hauptstraße«, Paul Wellmann zeigte auf die Wagen. »Kaum zu übersehen, wenn man hier vorbeifährt.«
    Ein lang gestrecktes zweistöckiges Gebäude stand zurückgesetzt auf einem großen Grundstück. Zwei getrennte Haustüren ließen vermuten, dass hier Büro- und Wohnräume unter einem Dach vereint waren. Sie klingelten an der linken Tür, die mit dem

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