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Zuckerblut

Zuckerblut

Titel: Zuckerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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beiden Kommissare mit dem Anwalt durch die Räume gingen.
    »Nein, dazu konnte ich mich bisher nicht durchringen. Sehen Sie, gerade in seinem Arbeitszimmer hat mein Onkel viel Zeit verbracht. Er war es gewohnt, früh aufzustehen, um die morgendliche Ruhe am Schreibtisch zu genießen. Bis er fast achtzig war, hat er noch an Aufsätzen für juristische Fachzeitschriften gearbeitet und einen sehr intensiven Briefwechsel mit Kollegen in der ganzen Welt geführt. Onkel Alfons war ein anerkannter Experte für Zivilrecht und wurde gerade im Ruhestand häufig konsultiert, wenn es um knifflige Fälle ging.«
    »Alles mit dieser Schreibmaschine?« Paul Wellmann zeigte auf eine massive dunkelgrüne ›Adler‹, die neben dem Schreibtisch auf einer etwas niedrigeren, extra angebauten Platte stand.
    »Das war sein Heiligtum, da durfte niemand dran und noch im Alter hat er mit einer enormen Geschwindigkeit nahezu fehlerfrei geschrieben.«
    Die Beamten betrachteten das solide gebaute Zeugnis qualitativ hoher Feinmechanik und erinnerten sich an frühere Zeiten. »Auf einer ähnlichen Maschine haben wir bis vor zehn Jahren auch noch unsere Berichte getippt, aber wenn man sich mal an den Computer gewöhnt hat ...«, kommentierte Wellmann.
    Staunend standen die beiden vor der Unmenge an Büchern, die sich in den Regalen an drei Seiten des Raumes befanden. Außer dem Platz vor dem Fenster, wo der Schreibtisch stand, gab es keine freie Wand.
    »Bestimmt vier– bis fünftausend Stück«, meinte der Anwalt, als er die Blicke der Kommissare bemerkte. »Zeitlebens war Onkel Alfons sehr belesen – allerdings besaß er auch keinen Fernsehapparat. Reine Zeitverschwendung, hat er dazu immer gemeint, aber das geschriebene und gedruckte Wort wurde von ihm sehr hoch geschätzt.«
    Der melodische Gong unterbrach die Betrachtung und Baumbach wandte sich zur Tür. »Das werden die Leute sein, mit denen ich mich verabredet hatte.«
    »Dürfen wir uns noch weiter umschauen?«, fragte Lindt schnell, weil er die Chance witterte, unbeobachtet sein zu können.
    Etwas widerstrebend willigte der Anwalt ein: »Meinetwegen ...« Er zeigte auf mehrere Türen: »Küche, Bad, Schlafzimmer, es ist noch nichts verändert, alles so, wie es war.«
    Die Kommissare öffneten die Tür zum Schlafraum, dessen Fenster zur Morgensonne hin ausgerichtet waren.
    »Das ganze Mobiliar ist im selben Stil gehalten«, konstatierte Wellmann. »Auch hier alles in solider deutscher Eiche.«
    »Ja, Paul, zeitlos und wertbeständig. Früher ging man nicht alle paar Jahre ins Möbelhaus und kaufte sich was Neues. Sieht auch so aus, als wenn es vom Schreiner extra angefertigt worden wäre.«
    Obwohl die Frau des Richters schon fünfzehn Jahre verstorben war, lagen auf beiden Betten frisch bezogene Decken und Kissen.
    »Hat wohl Veränderungen gemieden«, stellte Lindt fest, als er umherblickte, um möglichst viel von der Atmosphäre des Hauses in sich aufzunehmen. Sein Blick blieb am Nachttisch hängen.
    »Fällt dir was auf, Paul?«
    Suchend schaute Wellmann in die Runde und zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nichts. Sieht alles so aus, als wollte sich der Richter hier heute Abend wieder reinlegen.«
    »In welchem Bett hat er denn wohl geschlafen?«
    »Also ich schlafe zuhause links. Außerdem ist das linke Bett näher an der Tür – der kürzere Weg, wenn man nachts aufstehen muss.«
    »Und wie hat der alte Richter das wohl gemacht, wenn er mal raus musste?«, versuchte sein Kollege ihm auf die Sprünge zu helfen.
    »Na, Licht machen und aufstehen ...« Jetzt erkannte Paul Wellmann, worauf sein Chef hinauswollte.
    »Da fehlt doch was, natürlich, du hast Recht, Oskar. Drüben am Bett seiner verstorbenen Frau steht eine Nachttischlampe, aber hier nicht.«
    »Und einen Lichtschalter für die Deckenlampe kann man auch nicht erreichen, ohne aufzustehen«, ergänzte Lindt.
    »Nachttischlampen hat man doch immer paarweise. Selbst, wenn eine der Leuchten mal kaputtgegangen wäre, macht es sicher keinen Sinn, das verbliebene Licht neben einem leeren Bett aufzustellen.«
    »Vielleicht wollte er nichts verändern und ist halt mit einer Taschenlampe aufs Klo gegangen.«
    »Bestimmt – um Strom zu sparen! So wird es sicherlich gewesen sein, Paul«, tippte sich der Kommissar spöttisch mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Das glaubst du ja wohl selbst nicht! Sieh mal dort ...« Er zeigte auf den Parkettboden.
    »Dieser tiefe Kratzer hier sieht noch recht frisch aus und kann ganz gut von einer

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