Zuckerblut
sind, Herr Baumbach, müssen Sie sich wahrscheinlich noch etwas gedulden.« Während er das sagte, angelte er flugs mit seiner anderen Hand den Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn seinem Gegenüber vor die Nase. »Wir sind leider in einer anderen Angelegenheit hier.«
Schlagartig ließ der Anwalt Lindts Hand los, sein Gesicht erbleichte trotz Solariumsbräune deutlich und er trat einen Schritt zurück. »Ach so ... Kriminalpolizei ... ja ... ja, womit kann ich Ihnen helfen?«
»Wir ermitteln im Fall der vor einigen Tagen ermordeten Frau.« Lindts Blick wich nicht von Baumbachs Augen. Er wollte den Überraschungseffekt nutzen und jedes Mienenspiel mitbekommen.
»Ja, natürlich«, hatte sich dieser aber schon gefangen und seine Maske von Liebenswürdigkeit schnell wieder aufgesetzt. »Ihre Kollegen waren doch kürzlich erst in meiner Kanzlei. Gibt es da noch weitere Fragen, Herr ... Herr ...?«
»Lindt, Oskar Lindt, Hauptkommissar«, gab der Kommissar zur Antwort und instinktiv reagierte er auf die gleiche, betont freundliche Art, um die Situation zu entspannen.
»Kein Grund zur Beunruhigung, reine Routine. Wir sind lediglich dabei, alle Personen aufzusuchen, mit denen die Tote irgendwie in Kontakt war. Neben dem privaten Umfeld kümmern wir uns jetzt gerade um die Patienten, die sie als Krankenschwester gepflegt hat, eine Adresse nach der anderen, mühsame kriminalistische Kleinarbeit eben.«
»Da werden Sie hier allerdings niemanden antreffen. Mein Onkel, der in diesem Haus gewohnt hat, ist vor einigen Wochen verstorben – aber das müssten Sie doch eigentlich schon wissen.«
»Selbstverständlich«, gab der Kommissar zurück, »das haben die Kollegen natürlich berichtet, aber wir machen uns auch immer gerne noch selbst ein Bild vom persönlichen Umfeld, in dem die Leute leben. Das gehört bei professioneller Ermittlungsarbeit einfach dazu.«
Oskar Lindt wollte seine bewährte Methode, wichtige Orte eingehend zu betrachten und atmosphärisch auf sich wirken zu lassen, nicht im Einzelnen darlegen. Die unverhofft aufgetretene Chance aber, einen Blick ins Innere des Hauses werfen zu können und gleichzeitig unverfänglich mit Baumbach jun. ins Gespräch zu kommen, durfte er sich keinesfalls entgehen lassen.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen ...«, fuhr der Kommissar in einem außerordentlich liebenswürdigen Tonfall fort, »uns zu zeigen, wie Ihr Onkel gelebt hat? Ist ja ein beeindruckendes Anwesen hier.«
Für einen Augenblick entglitt dem Anwalt der Gesichtsausdruck und statt des Dauerlächelns tauchte ein Anflug von Geringschätzigkeit in seinen Augen auf.
›Das wirst du dir als armseliger kleiner Beamter niemals leisten können‹, interpretierte Lindt den nur wenige Sekunden dauernden Blick, der sich gleich darauf in betonte Gleichgültigkeit wandelte.
»Meinetwegen, wenn ich nun schon mal hier bin. Sie dürfen sich gerne umschauen, es gibt nichts zu verbergen. Allerdings erwarte ich ja Kaufinteressenten für das Haus, um die muss ich mich dann kümmern.«
»Kein Problem«, erwiderte Lindt schelmisch, »Sie können uns ja ebenfalls als potentielle Käufer ausgeben, um den Preis nach oben zu treiben.«
Baumbach lachte laut: »Gute Idee, so werde ich es machen«, doch dieses Lachen kam dem Kommissar eine Spur zu laut und ein klein wenig übertrieben vor, als er dem Anwalt zum Eingang folgte.
»Massive Eiche«, klopfte der an die schwere Haustüre, drehte den Schlüssel zweimal um, fügte dann aber schnell hinzu: »Ach nein, Ihnen brauche ich das hier ja nicht anzupreisen.«
»Nein, leider«, antwortete ihm Lindt und schaute zu Paul Wellmann. »Gefallen würde uns das Haus schon, aber Immobilien dieser Preisklasse sind mit unseren schmalen Gehältern nicht zu vereinbaren.«
»Wenigsten sicher, ihr Gehalt«, konterte der Anwalt. »In meinem Berufsstand gibt es mittlerweile so viele Kollegen, die sich gegenseitig die Mandantschaft abjagen – die Zeiten sind nicht mehr so rosig wie früher.«
»Da hat es wohl genügt, das Anwaltsschild an die Kanzleitür zu schrauben und schon war man ein gemachter Mann«, lenkte der Kommissar das Gespräch unauffällig in Richtung der finanziellen Verhältnisse seines Gesprächspartners.
»Das war einmal«, kam die spontane Antwort, »ich habe so einige Durststrecken hinter mir.«
Ein kurzes Zucken in Baumbachs Gesicht zeigte, dass er sich ärgerte, mit diesem Satz ungewollt etwas über seine Lage preisgegeben zu haben und schnell wich er aus: »Als
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