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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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zurückkehren, aber vor drei Tagen stand aus heiterem Himmel meine Schwester vor der Tür und fuhr schweres Geschütz auf. Sie hat mich quasi genötigt, zum Geburtstag meiner Mutter zu kommen. Einspruch abgelehnt.«
    »Ach richtig, die Party des Monats.«
    Ungläubig reiße ich die Augen auf. »Wie bitte?« Ich verschlucke mich fast an dem Toffee.
    »Die Worte meines Chefredakteurs«, sagt er schulterzuckend. Als ob das die Sache besser machen würde.
    »Bitte sag mir nicht, dass halb Wismar kommt.«
    »Bereite dich lieber darauf vor.«
    »Oh Mann.«
    Er sieht mich vielsagend an. »Du hast nicht wirklich geglaubt, dass die Geburtstagsfeier im engsten Familienkreis über die Bühne geht, oder?«
    »Nein. Doch. Vielleicht. Was weiß ich!« Frustriert lasse ich mich in die Kissen zurückfallen. Ich darf mich also nicht nur mit der Klatschpresse in Person meiner Tante Gloria und ihrer ätzenden Tochter Luisa herumschlagen, sondern muss außerdem gut Wetter machen, weil ich nur ungern einen neuerlichen Eklat vom Zaun brechen will, wenn halb Wismar bei uns im Garten steht. Phantastisch.
    Wie ich meine Mutter kenne, artet diese angeblich kleine Familienfeier zu einem Galaabend aus. Tante Gloria hat in dieser Hinsicht bereits mehrfach neue Maßstäbe gesetzt. Meine Mutter will sicher nicht hinter ihrer Schwester zurückstehen. Wie sähe das denn aus?
    Allein wenn ich an Luisas achtzehnten Geburtstag zurückdenke, läuft es mir heiß und kalt den Rücken hinunter. Meine Tante hatte drei Fotografen engagiert, die ihre Prinzessin und die Gäste aus allen möglichen Blickwinkeln ablichten sollten. Egal wo man stand, irgendwo lauerte garantiert einer dieser lästigen »Paparazzi«. Als ich mich während Luisas Dankesrede unauffällig ans Buffet schlich, drückte einer dieser Dreckskerle auf seinen Auslöser. Ich habe mich dermaßen erschrocken, dass die Füllung der Frühlingsrolle hochkant auf meinem rosa Tüllkleid (fragen Sie lieber nicht!) landete. Wieso ich das immer noch weiß? Erstens gibt es davon das wunderbare Bild in unserem Familienfotoalbum – gleich neben der Fotografie, wo ich wie auf Drogen den Fleck anstarre. Und zweitens lässt es sich Tante Gloria nicht nehmen, aller Welt (auch denen, die es gar nicht hören wollen) bei jeder Gelegenheit von dieser »lustigen Geschichte« zu erzählen.
    »So schlimm wird es schon nicht werden«, versucht Olli mich mit einem Augenzwinkern zu beruhigen.
    »Hast du eine Ahnung. Mein Vater und ich führen Krieg, und meine restliche sensationslüsterne Verwandtschaft wird sich auf mich stürzen wie die Geier aufs Aas.« Ich deute Anführungsstriche an. »›Verlorene Tochter kehrt zum fünfundfünfzigsten Geburtstag der Mutter ins Nest zurück – und sorgt für Skandal!‹ – wäre doch eine tolle Schlagzeile.«
    »Du übertreibst. Ich kenne deinen Vater. Trotz aller Differenzen wird er sich nicht die Blöße geben und sich vor versammelter Mannschaft mit dir streiten.«
    Ollis sonniges Gemüt möchte ich haben. »Es hat keine fünf Minuten gedauert, da lagen mein Vater und ich uns in den Haaren.«
    »Willst du reden?«
    Eigentlich habe ich keine große Lust, Olli die Ohren mit meinen Problemen vollzujammern. Da er aber höchstwahrscheinlich sowieso erfährt, was los ist, lege ich die Karten auf den Tisch. »Mein Vater ist stinksauer auf mich. Er denkt, dass ich ziellos herumtreibe und nichts aus meinem Leben mache.« Ich seufze. »In Wahrheit trägt er mir bloß nach, dass ich die Bäckerei nicht übernehme, weil ich lieber mein eigenes Leben leben will.«
    »Oh.«
    Ich nicke vielsagend. »Ich habe die Pläne meines ehrgeizigen Vaters knallhart durchkreuzt. Unser Verhältnis war immer schwierig, das weißt du selber. Vor fünf Jahren sind wir dann richtig aneinandergeraten, als ich mein BWL -Studium – was mich obendrein null interessierte – nach zwei Semestern hinwarf. Nach dieser Eskapade, wie mein Vater es nannte, hat er mir jegliche finanzielle Unterstützung gestrichen. Daraufhin habe ich meine Siebensachen gepackt und bin gegangen«, erzähle ich die Kurzvariante, ohne die bösen Worte und die vielen gegenseitigen Vorwürfe. Mein bester Freund muss nicht alles wissen. »Um meinem Vater richtig eins reinzuwürgen, begann ich Germanistik und Soziologie in Hannover zu studieren. Ich wusste durch Eva, dass ihn diese ›sinnfreie Fächerkombination‹ zur Weißglut trieb.«
    Olli schaukelt abwägend den Kopf hin und her. »Ziemlich kindisch, wenn du mich fragst.«
    Mag sein.

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