Zuckerguss (German Edition)
men glaube ich nämlich nicht mehr!«
»Ist das mein Problem?«
»Äh … jaaaa?!«
Olli tippt sich an die Stirn. »Die Suppe hast du dir selbst eingebrockt, löffele sie also allein wieder aus.«
»Danke für deine Hilfe«, gebe ich verschnupft zurück.
»Was willst du eigentlich von mir hören? Dass ich dich mit einem meiner Freunde verkuppele, damit du deiner Familie einen Stephan präsentieren kannst?« Er klingt richtig genervt.
»Ich wäre dir ewig dankbar«, flöte ich mit Unschuldsmiene. Dass Olli meine Intention so gezielt durchschaut, wundert mich nicht. Er kennt mich zu gut. Leider. Was die Angelegenheit nicht gerade vereinfacht.
Olli fährt sich erschöpft mit der Hand über das Gesicht. »Ich mache mich nicht vor meinen Kumpels zum Affen, nur weil du zu feige bist, Klartext mit deinen Eltern zu reden«, empört er sich.
»Das ist nicht so leicht.«
»Mit noch mehr Lügen wird es jedenfalls nicht besser!«
Ich verdrehe die Augen. Pah, wenn Olli den vernünftigen Erwachsenen rauskehrt, möchte ich schreien. Das hat mich schon mit fünfzehn maßlos aufgeregt. Noch mehr ärgert es mich, dass er wahrscheinlich recht hat. Wie immer. Ich sollte meinen Eltern die Wahrheit sagen. Ihnen klipp und klar zu verstehen geben, dass es keinen Stephan gibt. Ich bin Single, fertig. Was sagte Moritz beim Abschied: »Du bist nicht verpflichtet, einen Freund mitzubringen.« Theoretisch klingt das überzeugend, schließlich bin ich alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Darauf lege ich viel Wert. Kein Mensch soll mir in meine Angelegenheiten reinreden. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Aber möchte ich mir wirklich vor meiner Familie die Blöße geben, mit achtundzwanzig immer noch als Versagerin zu gelten, weil ich unfähig bin, Karriere zu machen und eine längerfristige Beziehung zu führen? Will ich mir wirklich zum hundertsten Mal von meiner Mutter anhören müssen, dass sie sich endlich Enkelkinder wünscht?
Nein, will ich nicht!
Und genau deswegen veranstalte ich dieses Theater. Weil ich genau weiß, was mich andernfalls erwartet. Lieber spiele ich meiner Familie eine Schmierenkomödie vor, als mich der Blamage auszusetzen und einzugestehen, dass der supertolle Stephan eine andere heiratet. Die obendrein schwanger von ihm ist. Ich sehe schon die Gesichter meiner Verwandtschaft vor mir. Meine Mutter bekommt einen Ohnmachtsanfall, Tante Gloria belächelt mich mitleidig, und Luisa lacht sich ins Fäustchen.
Letztlich spielt es ohnehin keine Rolle, was ich für einen zukünftigen Schwiegersohn anschleppe. Meine Eltern finden sowieso etwas an ihm auszusetzen, da mache ich mir keine Illusionen. Und wenn es die falsche Farbe des Jacketts ist. Für sie gibt es bei meiner Freundesauswahl nur zwei Kategorien:
1. den Adonis-Traumtyp, der laut meinem Vater nur hinter meinem (beziehungsweise seinem) Geld her ist und eigentlich viel zu gut aussieht für meine Verhältnisse, oder
2. den Loser-Typ, der im Leben noch weniger auf die Reihe kriegt als ich.
Sollte ich bis morgen nicht doch noch über ein männliches Prachtexemplar stolpern, muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und zugeben, dass ich solo bin. Einen unsichtbaren Freund meinen Eltern vorzustellen wäre wohl keine gute Idee. Ich höre schon das Irrenhaus nach mir rufen.
Andererseits bliebe mir als Single meine vermeintliche Karriere. Das ist zwar die größte Lüge von allen, aber immerhin würde das Eindruck machen. Sogar auf meinen Vater. Und wie ich Tante Gloria kenne, weiß bereits die halbe Verwandtschaft, dass ich beruflich eine Granate bin. Wen interessiert da noch, dass ich keinen Mann habe? Pah! Eine Karrierefrau braucht niemanden, um glücklich zu sein.
Olli drückt sanft meinen Arm. »He, redest du nicht mehr mit mir?« Er blickt ziemlich schuldbewusst drein.
»Ich habe nachgedacht.«
»Lass mich raten, du bestehst auf einem Mann an deiner Seite. Selbst wenn er bloß ausgedacht ist, oder?« Er schüttelt den Kopf, die Antwort kennt er längst. »Du bringst dich in Teufels Küche. Nun ja, solange du dir keinen Callboy mietest.«
»Callboy?« Mir fallen vor Entsetzen beinahe die Augen aus dem Kopf. Ich weiß nicht, ob ich gekränkt sein oder mich totlachen soll. Callboy! Also wirklich.
»Das war kein ernstgemeinter Vorschlag!«, rudert Olli eilig zurück. Seine Ohren überzieht ein leichter Rotschimmer. Olli ist in manchen Dingen herrlich prüde. Niedlich.
Ich grinse still in mich hinein und meine trocken:
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