Zuckerguss (German Edition)
Streit endet. Ich bin eine Chaotin auf zwei Beinen ohne Geschmackssinn. Meine Mutter dagegen die reinste Perfektionistin, bei ihr müssen sogar die Servietten geometrisch korrekt ausgerichtet sein.
Der Lärm ist mittlerweile so laut, dass ich das Gefühl habe, jeden Augenblick einen Hörsturz zu bekommen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich da unten eine Großbaustelle vermuten.
Vorsichtig spähe ich mit dem Kopf aus der Tür. Nichts. Die Luft ist rein. Auf Zehenspitzen schleiche ich mich aus dem Haus.
Eine Viertelstunde später erreiche ich den Strand, der einsam und verlassen vor mir liegt. Keine Menschenseele weit und breit.
Ich ziehe die Beine an und beobachte in der Ferne das Auslaufen eines Schiffes. Die Sonnenstrahlen kitzeln mich an der Nasenspitze. Ich beschließe, die Gunst der Stunde zu nutzen und ein morgendliches Bad zu nehmen. Zum Glück habe ich mir daheim bereits meinen Badeanzug angezogen.
Das Wasser ist überraschend warm. Ich schwimme eine ganze Weile und lasse mich dann träge auf dem Rücken treiben. Es ist herrlich! Das erfrischende Nass weckt meine Lebensgeister und lässt meine schlechte Laune verschwinden.
Als ich nach einer halben Ewigkeit aus dem Wasser wate, füllt sich der Strand allmählich mit den täglichen Badeurlaubern des nahe gelegenen Campingplatzes, die sich auf einen weiteren faulen und entspannenden Tag am Meer freuen. Handtücher werden ausgebreitet, Sonnenschirme aufgestellt. Kinder tollen mit Eimer und Schaufel bewaffnet zwischen den Sandburgen herum. Die morgendliche Ruhe ist vorbei. Spätestens in zwei Stunden brennt hier der Sand, und es gibt kein freies Fleckchen mehr.
In der Nähe meines Handtuchs steht ein junger Mann in Jeans und T-Shirt und sieht zu mir herüber. Um seinen Hals baumelt eine Kamera.
Einen Wimpernschlag später hat er das Kameraobjektiv plötzlich frontal auf mich gerichtet. Vor Schreck kreische ich los. Dabei verliere ich die Balance und beginne wild mit den Armen zu rudern, um den unvermeidlichen Sturz irgendwie abzufangen. Zu spät. Mit einem lauten Platschen lande ich unsanft im flachen Wasser.
Aua!
Mühsam kämpfe ich mich hoch. Mir tut alles weh, würde mich nicht wundern, wenn mindestens drei Knochen gebrochen sind. Prüfend schaue ich an mir herunter. Meine Oberschenkel sind mit einer feinen Sandschicht überzogen, in meinen Haaren hängt eine halbe Tonne Seegras.
Wutschnaubend stampfe ich auf den Ursprung allen Übels zu. »Können Sie mir erklären, was das sollte?«
»Was denn?« Er schraubt gelassen das Objektiv ab und verstaut es in seiner Umhängetasche.
»Das wissen Sie ganz genau!«
»Nein, tut mir leid.«
Ich kneife die Augen zu Schlitzen zusammen. Wenn er mir dumm kommen will, dann soll er sich warm anziehen. Der Typ wird mich noch kennenlernen. »Sie haben mich fotografiert. Ohne mich zu fragen. Was sollte das?«, wiederhole ich meine Frage.
Er blickt auf und grinst mich anzüglich an. »Wie kommen Sie darauf, dass ich gerade Sie fotografiert habe?«
Bitte? Ich bin vielleicht blond, aber nicht blöd. »Na hören Sie mal! Sie haben Ihr Objektiv voll auf mich draufgehalten«, widerspreche ich, darum bemüht, sachlich und vernünftig zu bleiben. »Das war nicht zu übersehen.«
»Scheinbar schon. Ich habe lediglich diesen Strandabschnitt fotografiert.« Er macht eine ausladende Handbewegung. »Sie wollte ich nie im Leben ablichten. Selbst wenn, sind Sie mir höchstens ins Bild gelaufen.«
»Ich bin was ?«, explodiere ich, mein Blutdruck auf dreihundert.
»Sie haben mir meine Aufnahme mit Ihrem Halle-Berry-Auftritt ruiniert. Dafür könnte ich Schadensersatz fordern.«
Er will mich wohl auf den Arm nehmen! Seit wann kann man wegen eigener Unfähigkeit Schadensersatz verlangen? Es ist ja wohl nicht mein Problem, wenn der Kerl nicht weiß, in welchem Moment er auf den Auslöser drücken muss. Ich habe vielmehr Grund, ihn zu verklagen. Ohne meine Einwilligung ein Foto von mir zu machen widerspricht mit Sicherheit den Menschenrechten, den Genfer Konventionen und was weiß ich nicht noch alles. Und dann dieser Schwachsinn mit dem Halle-Berry-Auftritt. Soll das ein verzweifelter Versuch sein, sich bei mir einzuschleimen? Missglückt auf ganzer Linie! Erstens ist meine Figur weit davon entfernt, wie die dieser Hollywoodschönheit auszusehen (leider), und zweitens sehe ich hier keinen Pierce Brosnan. Das wäre etwas anderes gewesen. Oh Gott, habe ich das gerade wirklich gedacht? Nee echt, Miriam!
»Sie sind der
Weitere Kostenlose Bücher