Zuckerguss (German Edition)
ich damit bloß nie angefangen. »War eine dumme Idee. Vergessen Sie einfach, was Sie gehört haben.«
»Dabei war ich fast gewillt, ja zu sagen.«
Mit weit aufgerissenen Augen gucke ich ihn an. »Wirklich?«
»Wenn die Bezahlung stimmt«, hält er todernst dagegen.
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mich auf den Arm nimmt. Wahrscheinlich würde es mir an seiner Stelle nicht anders gehen. Eine fremde Frau bittet ihn, ihren Freund zu spielen, damit sie auf der Geburtstagsfeier der eigenen Mutter nicht als komplette Versagerin dasteht. Das ist doch erbärmlich!
»Wie viel kostet mich diese Bitte?«
»Da bin ich flexibel.«
Besser, ich denke nicht über die Konsequenzen nach, sonst bekomme ich Zweifel. Schließlich habe ich mich heute bereits genug für drei Leben gedemütigt.
»Es ist auch nur für zwei, drei Stunden«, versichere ich. »Eine Frage noch …«
»Ja?« Er erhebt sich und hält mir seine gebräunte Hand hin, um mir beim Aufstehen mit diesen Folterinstrumenten behilflich zu sein.
»Wieso helfen Sie mir? Sie kennen mich doch gar nicht!«
Er zuckt mit den Schultern. »Wenn jemand so Hübsches mich so verzweifelt anfleht, kann ich nicht nein sagen.«
Unwillkürlich erröte ich. »War das etwa ein Kompliment?«
»Haben Sie es denn als solches aufgefasst?«, erkundigt er sich herausfordernd, und ich mache schnell, dass ich meine Hand aus seiner befreie.
»Das Wichtigste haben Sie mir allerdings immer noch nicht verraten.«
»Hm?«
»Ihren Namen«, meint er augenzwinkernd. Er reicht mir seine rechte Hand. »Ich heiße David.«
»Miriam«, wispere ich. Verlegen erwidere ich seinen Händedruck.
»Wollen wir?« David nimmt meine Hand und zieht mich bestimmt durch den Hausflur in den Garten. Ich bin viel zu perplex, um irgendetwas Sinnvolles beizutragen. Oder mich über die ganze Angelegenheit zu wundern.
Es vergehen keine zehn Sekunden, bis uns Tante Gloria auf der Terrasse entdeckt. Mit einem breiten Lächeln kommt sie auf uns zu und deutet ungeniert auf meinen Begleiter. »Ist er das?«
»Gloria, das ist David.« Ich komme gar nicht dazu, ihn als meinen vermeintlichen Freund vorzustellen, da greift sich Tante Gloria seinen Arm und zieht ihn ein Stück von mir weg. Er guckt mich verblüfft an. Hilflos zucke ich mit den Achseln. Vielleicht hätte ich ihm vorher ein paar Hinweise geben sollen, was da auf ihn zukommt. Und leider fällt mir erst jetzt auf, dass wir uns nicht abgesprochen haben, was mögliche Fragen meiner Familie angeht. Das habe ich in der Aufregung total vergessen. Verflixt!
Da ich für die nächsten Minuten abgemeldet bin, beschließe ich, David das versprochene Glas Champagner zu besorgen. Zumindest dieser Teil der Abmachung wäre damit erledigt. Ich könnte ebenfalls noch ein Schlückchen zur Stärkung gebrauchen.
Als ich mit zwei Gläsern zu den beiden zurückkehre, hat Gloria David ins Kreuzverhör genommen. Dennoch sieht er ziemlich relaxt aus, er lacht sogar bei einem Kommentar meiner Tante. Donnerwetter.
Ich reiche ihm das Glas, und er legt wie selbstverständlich seinen linken Arm um meine Hüfte. Ein wohliger Schauer breitet sich an dieser Stelle aus. Unter halbgesenkten Wimpern werfe ich ihm einen überraschten Blick zu, aber er macht keine Anstalten, seine Hand wegzunehmen.
»Wo habt ihr zwei euch kennengelernt?«, will Tante Gloria gespannt wissen. Es ist nicht zu übersehen, dass sie von David ganz entzückt ist. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn er ist charmant, witzig und sieht in diesem schwarzen Jackett (ja, ich gebe es zu!) äußerst attraktiv aus.
Fieberhaft versuche ich mir eine halbwegs glaubhafte Geschichte auszudenken, doch in meinem Kopf herrscht absolutes Vakuum.
David legt mir seinen Zeigerfinger auf die Lippen. »Lass mich erzählen, Süße.«
Meine Augen weiten sich.
Süße?
»Es war an einem Mittwoch. Ich war mit einem Freund in dieser Ausstellungseröffnung über moderne Kunst des einundzwanzigsten Jahrhunderts, und da sah ich sie. Sie stand vor einem Gemälde mit drei roten Farbklecksen und hat ihren Kopf in alle Richtungen verrenkt. Ich ging zu ihr hin und starrte ebenfalls das Bild an. Irgendwann fragte ich sie, ob sie eine Ahnung hätte, was der Künstler damit zum Ausdruck bringen wollte. Sie meinte nur, dass er entweder gerade seine Aggressionsphase durchmachte oder sie ein Kunstbanause sei.«
Tante Gloria lacht herzhaft. »Ich wusste gar nicht, dass du dich für Kunst interessierst,
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