Zuckerguss (German Edition)
Miriam«, stellt sie verwundert fest.
Ich hatte bis zum heutigen Tag auch keine Ahnung von dieser Vorliebe und lächele überrumpelt.
»Später habe ich sie gefragt, ob sie sich von einem weiteren Kunstbanausen zum Kaffee einladen lassen würde. Offensichtlich ist sie auf meinen platten Anmachspruch reingefallen«, fährt David mit einem sexy Lachen fort. »Bei dem Kaffee ist es aber nicht geblieben. Nachdem uns die Kellnerin dieses winzigen Cafés gebeten hat zu gehen, weil sie zumachen wollte, sind wir zum See spaziert. Dort haben wir auf einer Bank die ganze Nacht geredet. Über uns die Sterne. Aus der Ferne die Klänge eines Violinenkonzerts. Und als Miriam mich mit ihren großen goldenen Augen ansah, wusste ich: Sie ist es.«
Ich hänge wie gebannt an Davids Lippen.
»Tja, da habe ich sie dann geküsst.«
Wäre das jetzt das Ende eines Liebesfilms, ich würde hoffnungslos schmachten.
»Nein, wie romantisch.« Tante Gloria ist hingerissen.
Ich blicke zu David hoch, der mich fast zärtlich ansieht. Ich schlucke angestrengt an dem aufkommenden Kloß in meinem Hals herum und weiß nicht so recht, was ich jetzt tun oder sagen soll. An dem Mann ist definitiv ein Schauspieler verloren gegangen.
»Wie lange seid ihr schon ein Paar?«, fragt Tante Gloria mich begierig.
»Sechs Monate«, nuschele ich. Dass das ein Fehler war, wird mir spätestens bewusst, als meine Tante nachdenklich ihre Stirn krauszieht.
»Sechs Monate? Und da habt ihr noch keine Pläne für die Zukunft geschmiedet? Wenn ich da an Luisa denke … Sie hat sich nach zwei Monaten mit Friedhelm verlobt.«
OH MEIN GOTT! Ist die ganze Welt momentan mit diesem Heiratswahn infiziert, oder konzentriert sich das lediglich auf meine Verwandtschaft? Jahrelang bekomme ich vorgehalten, beruflich endlich ein paar Gänge höher zu schalten. Aber seit ich die 25er-Marke überschritten habe, scheint es außer Hochzeit und Kindern keine anderen Themen mehr zu geben.
»Wir haben es nicht eilig«, beeilt sich David zu sagen und tätschelt beruhigend mein Schulterblatt.
»Aber Miriam, denk an deine biologische Uhr!«
Wenn meine Tante heute noch einmal diese verdammte biologische Uhr erwähnt, ich schwöre, ich schreie den Garten zusammen!
»Sobald Luisa verheiratet und mit dem ersten Kind schwanger ist, sprechen wir uns wieder. Einverstanden, Gloria?«, erwidere ich zuckersüß. Ohne ein weiteres Wort schleife ich David hinter mir her und gehe mit ihm direkten Schrittes auf meine Mutter zu, damit ich dieses Gespräch hinter mir habe.
»Wow, das war – anders«, sagt David amüsiert.
Ich schaue ihn vielsagend an. Er denkt sicher auch, dass er in einer Familie von Bekloppten gelandet ist. Und ich kann ihm nicht einmal vortäuschen, dass dem unter anderen Umständen nicht so ist.
Als Mama uns auf sich zusteuern sieht, läuft sie uns freudestrahlend entgegen. »Wie ich sehe, hast du bereits –«
»Mama, darf ich dir meinen Freund David vorstellen?«, unterbreche ich sie. Ich grinse übers ganze Gesicht.
»Deinen Freund?«
Ich habe meine Mutter in meinem ganzen Leben noch nie so verdattert aus der Wäsche gucken sehen wie in diesem Augenblick. Ihrem Gesichtsausdruck nach habe ich den Alptraum aller Schwiegersöhne mit nach Hause geschleppt. Oder zumindest ein grünes Marsmännchen.
»Du wolltest ihn unbedingt kennenlernen.« Den ganzen Tag durfte ich mir schließlich nichts anderes anhören.
»Aber, du und Stephan …«
Im ersten Moment weiß ich nicht, worauf sie hinauswill. Bis das Rädchen in meinem Kopf einrastet.
Ups.
»Stephan und ich haben uns bereits vor Monaten getrennt«, gestehe ich behutsam und hoffe inständig, dass das Thema damit beendet ist. Die Rechnung habe ich allerdings ohne meine Mutter gemacht.
»Du wolltest Stephan mitbringen.« Meine Mutter versucht hilflos, die losen Puzzlestücke zusammenzusetzen. Es gelingt ihr nicht wirklich.
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Falsch, ihr seid nur alle davon ausgegangen, weil Eva mich nicht ausreden ließ.« Ich klinge definitiv eine Spur zu aggressiv.
Meine Mutter fährt sich verunsichert durch die dunkelblonden Haare und versucht krampfhaft, die Contenance zu wahren. »Ich verstehe das nicht, Miri. Wieso hast du uns David denn nicht früher vorgestellt?«
Ich kann mich nicht erinnern, wann mich meine Mutter zum letzten Mal »Miri« genannt hat. Wahrscheinlich im Kindergarten. Sie weiß nämlich, wie sehr ich diese Verniedlichung meines Namens hasse. Miri klingt wie eine
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