Zuckerguss (German Edition)
Eva, aber der wird nie gesagt, dass sie sich gefälligst endlich schwängern lassen soll, von wegen Ticktack.
Manchmal frage ich mich, in welchem Jahrhundert Gloria lebt. Alles nach der frühen Neuzeit halte ich für zu optimistisch.
»Und, Miriam«, wendet sich meine Tante an mich, »was macht dein Liebesleben? Endlich den Richtigen gefunden?«
»Hat sie«, springt meine Schwester hastig ein. Ich wünschte, sie hätte es nicht getan. Es ist schön, dass sie mir beistehen will, aber in dieser Angelegenheit ist das nicht die beste Idee. Überhaupt nicht. Denn nun hat Gloria Lunte gerochen. Ihre Wangen verfärben sich aufgeregt, und sie starrt mich mit weit aufgerissenem Mund an. Ich ahne Böses.
»Tatsächlich?«
»Miriam hat ihn sogar mitgebracht«, beeilt sich Eva zu sagen.
Ich stehe wie zur Salzsäule erstarrt da. Meine große Schwester nickt mir aufmunternd zu und erwartet wohl, dass ich ihr nun gratuliere. Weil sie mir hilfreich zur Seite steht. Ich würde sie dagegen viel lieber erdolchen.
»Du musst ihn mir unbedingt vorstellen, Miriam. Ihr könnt dann ja gemeinsam mit Luisa und Friedhelm etwas unternehmen«, schlägt Gloria begeistert vor.
Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich bin doch nicht bescheuert! Länger als fünf Minuten am Stück ertrage ich meine Cousine mit ihrem ständigen Geplapper nicht. Da gehe ich sicherlich nicht mit ihr und ihrem Verlobten aus und höre mir den ganzen Abend an, wie toll ihr Friedhelm ist. Ich hab den armen Kerl zwar noch nicht kennengelernt, aber Tante Glorias Schwärmerei am Telefon reichte aus, um zu wissen, dass das ein totaler Langweiler sein muss.
»Wo steckt unser Cousinchen?«, heuchele ich gespieltes Interesse vor. Hauptsache, ich kann von mir und meinem Liebesleben ablenken.
»Oh, die unterhält sich angeregt mit einem sehr charmanten und höflichen jungen Mann.« Tante Gloria deutet in die entsprechende Richtung, wo Luisa niemand Geringerem als Olli die Ohren abkaut. Neben den beiden steht ein langer schlaksiger Kerl mit Seitenscheitel, Hornbrille und Anzug. Das muss der sagenumwobene Friedhelm sein.
»Ich geh mal Hallo sagen.«
Eva sieht mich entsetzt an, als ich sie mit Tante Gloria allein lassen will. Rache ist süß. Wegen meiner Schwester habe ich schließlich den ganzen Schlamassel mit meinem angeblichen Freund am Hals.
Als Olli mich durch die Menge schlängeln sieht, stürmt er auf mich zu und umarmt mich erleichtert. »Du bist meine Rettung!«
»Wie schlimm ist es?«, frage ich ihn flüsternd.
Olli stöhnt leise. »Tu irgendwas, bitte!«, fleht er. Ich ziehe vielsagend die Augenbrauen hoch. Aber gestern noch behaupten wollen, dass es nicht so schlimm wird.
»Hallo, Luisa!«, begrüße ich meine Cousine überschwänglich.
»Miriam, wie schön, dich zu sehen.« Sie küsst mich links und rechts auf die Wange. »Darf ich dir meinen Verlobten Friedhelm vorstellen?«
Friedhelm nimmt meine Hand und deutet einen Handkuss an. Ich tausche bedeutungsvolle Blicke mit Olli aus. Junge, Junge, wo hat meine Cousine denn diese seltene Antiquität aufgegabelt? Es würde mich nicht im Entferntesten wundern, wenn sich der tolle Friedhelm als adeliger Bankierssohn von und zu entpuppt.
»Friedhelm Kunze, sehr erfreut.«
Ich muss mir auf die Unterlippe beißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. »Ebenfalls.«
Luisa nimmt mich gleich in Beschlag. »Ich habe gehört, dass du dein Studium beendet hast, Miriam. Stimmt das? Na, wurde ja auch Zeit, oder? Also, ich bin schon mittendrin im Berufsleben. Ich unterrichte seit letztem Jahr an einer Grundschule in Rostock. Soooo stressig, aber gleichzeitig auch soooo supitoll. Ich möchte es nicht missen. Es ist eben doch was anderes als die staubtrockene Theorie an der Uni. Die Kinder … hach, die Kinder, die ich unterrichte, sind ein Traum. Ein Traum. Soooo supi. Sie kosten dich eine Menge Kraft, aber dann geben sie dir gleichzeitig supiviel zurück. Ich könnte mir keinen schöneren Beruf vorstellen, und ich …«
Blablabla. Ich drehe mich zu Olli um, aber der hat bereits das Weite gesucht.
»Wie schön«, bemerke ich lustlos, als mich Luisa nach ihrem minutenlangen Monolog erwartungsvoll ansieht. »Das ist ja alles supitoll!«
»Ja, momentan läuft alles supitoll nach Plan«, schnattert meine Cousine eifrig weiter. »Der Job ist phantastisch, und ich habe den Mann meines Lebens gefunden.« Sie wirft ihrem Friedhelm einen schmachtenden Blick zu. »Schau mal, Miriam, ist der Ring nicht der pure
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