Zuckerguss (German Edition)
schillerndsten Farben ausgemalt. Dass du ihm am Ende den Rücken kehrst, hat ihn getroffen. Sein Stolz ist verletzt.«
Ich fasse es nicht! Meine Mutter erwartet von mir allen Ernstes Verständnis für das Verhalten meines Vaters? Geht’s noch?
»Hast du annähernd eine Vorstellung davon, wie ich mich gefühlt habe? Papa hat mich quasi vor die Tür gesetzt, als es nicht nach seinem Kopf ging«, empöre ich mich, nahe an der Hysterie.
»Na, na.« Ein strenger Blick. »Gegangen bist du schon selber.«
»Ansonsten hätte es Tote gegeben«, rechtfertige ich meine Entscheidung von vor fünf Jahren. Und dazu stehe ich nach wie vor, denn es war die richtige Wahl. Auch wenn das außer mir keiner in meiner Familie einsehen will.
»Vieles wäre uns aber erspart geblieben, wenn ihr beide euch zusammengesetzt und miteinander geredet hättet«, beharrt meine Mutter eisern auf ihrem Argumentationsstandpunkt.
Sie schiebt mir den Schwarzen Peter zu, mal was ganz Neues. Dass sie nicht ganz unrecht hat, ignoriere ich geflissentlich. Ich sehe gar nicht ein, wieso ich den ersten Schritt tun soll. Dieser Schwachsinn, von wegen der Klügere gibt nach, zieht bei mir nicht.
Ich bin bereits nach Wismar gekommen. Gut, nicht ganz freiwillig. Aber egal, ich bin hier. Jetzt ist mein Vater an der Reihe. Er ist derjenige, der total verbohrt auf seine Prinzipien pocht, statt einzusehen, dass ich mein eigenes Leben führen muss. Und dass die Bäckerei in meinen Plänen eben keine Rolle spielt.
»Solange Papa der Ansicht ist, dass mein oberstes Ziel im Leben darin besteht, ihn zu verärgern, wird es keinen Waffenstillstand geben.«
Meine Mutter nickt resigniert. Für den Augenblick gibt sie nach, aber ich befürchte, das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen. Sie ist viel zu harmoniesüchtig. Genau wie meine Schwester. Beide scheinen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, Papa und mich auszusöhnen. Verschwendete Energie. Aber da rede ich mir ja den Mund fusselig.
»Und David? Was hat er verbrochen, dass du ihm aus dem Weg gehst?«
Ich verdrehe unweigerlich die Augen. Das Thema brennt ihr unheimlich unter den Nägeln. Seit Tagen höre ich nur David hier, David da. Langsam nervt es. Hat meine Mutter denn nichts anderes zu tun, als sich um mein Liebesleben zu sorgen? Wenn sie unbedingt jemanden verkuppeln will, möge sie sich beherzt an meinen Bruder wenden. Mich soll sie bitte endlich in Frieden lassen.
»Wieso nimmt eigentlich jeder an, dass ich beziehungsgestört bin, nur weil ich nicht den Wunsch verspüre, mein Herzblatt vierundzwanzig Stunden am Tag zu sehen?«, maule ich. Mir ist deutlich anzumerken, dass ich auf diese Diskussion keine Lust habe.
»Du musst zugeben, du benimmst dich merkwürdig. Wenn ich da an Florian zurückdenke. Von dem mussten dein Vater und ich dich förmlich losketten, weil du dich geweigert hast, auch nur eine Sekunde von ihm getrennt zu sein.«
»Mama, ich war fünfzehn!«
»Und mit einem grauenhaften Jungengeschmack gesegnet«, ergänzt sie ungerührt. »Ich frage mich bis heute, was du an diesem Florian mit seinen hundert Piercings im Gesicht und seinen zerrissenen Hosen aus dem Altkleidercontainer fandest.«
»Florian war ein Punk.«
»Deshalb kann man sich trotzdem vernünftig anziehen und einen Kamm benutzen! Na, wenigstens hast du keine bleibenden Schäden zurückbehalten.« Sie streicht mir aufatmend übers Haar. »Ich bin froh, dass du jetzt mit David zusammen bist. Er ist so ein sympathischer junger Mann – höflich, charmant und sehr attraktiv. Stell dir nur mal vor, wie süß eure Kinder aussehen würden.«
» MUTTER !«
»Nun sei doch nicht so, Miriam«, erwidert sie leicht gekränkt.
Meine Mutter hat echt den Schuss nicht gehört! »Bah, Mama! David und ich sind noch nicht einmal verheiratet, geschweige denn, dass ich schwanger bin, und du denkst bereits an Enkelkinder.«
»Was nicht ist, kann ja noch werden.« Sie zwinkert fröhlich.
Ich schließe die Augen, massiere mit Zeige- und Mittelfinger meine Schläfen und versuche, die aufkommenden Kopfschmerzen zu unterdrücken. Das beständige tock-tock lässt sich jedoch ebenso wenig wegzaubern wie der Wunsch meiner Mutter nach Enkelkindern. Es will mir partout nicht in den Sinn, wieso Mama ausgerechnet mir und nicht meiner Schwester mit dieser Bitte ständig in den Ohren liegt. Seit sechs Jahren ist Eva mit Fabrizio verheiratet, und kein Nachwuchs in Sicht. Da sagt keiner ein Wort. Mit Ausnahme von Tante Gloria,
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