Zuckerguss (German Edition)
Rücken balle ich die Hände zu Fäusten. Wenn der Kerl mich noch ein einziges Mal Miri nennt, bringe ich ihn um.
»Jubiläum?« Mama sieht mich vorwurfsvoll an. »Davon hast du gar nichts erwähnt, Schatz.«
Ich lächele überrumpelt.
»Seit sechs Monaten hält sie es bereits mit mir aus.« David stupst liebevoll gegen meine Nase. Allmählich dürfte der Hinweis angebracht sein, dass meine Nase keine Glocke ist. Sie wird nicht läuten.
Meine Mutter klatscht die Hände zusammen. »Das ist ja wunderbar. Wissen Sie, David, mein Mann und ich haben uns schon Sorgen gemacht, dass Miriam in ihrem Alter womöglich niemanden mehr findet.«
» MUTTER !«
»Was denn?« Sie tut ganz erstaunt.
»Das geht David überhaupt nichts an«, knirsche ich zwischen zusammengepressten Zähnen.
»Er ist dein Freund !«
»Eben. Und nicht mein Psychiater.«
»Du hast einen Psychiater?« Meine Mutter hält sich erschrocken die Hand vor den Mund. Wahrscheinlich geht ihr zum wiederholten Mal durch den Kopf, was sie bei meiner Erziehung falsch gemacht hat. Es kann schließlich nicht angehen, dass eine Behrens es nötig hat, sich bei einem Psychiater auszuheulen. Was sollen denn die Leute denken!?
»Kind, warum redest du denn nicht mit mir?«
Ich verdrehe die Augen. Meine Familie traut mir echt alles zu! »Mensch, Mama, ich habe gar keinen Psychiater.«
»Nicht?«
»Nein.« Obwohl ich bald reif für einen bin.
»Ein Glück.« Sie atmet tief durch. Erleichterung überzieht ihre Gesichtszüge. »Dein Vater hätte das nicht verstanden.«
»Er versteht mich auch sonst nicht«, schnappe ich zurück, das Kinn angriffslustig nach vorne gereckt.
»Das ist unfair, Miriam. Das weißt du genau.«
»Ist doch wahr.«
»Ooookay, Ladys, genug jetzt«, schreitet David energisch ein und zieht mich am Ärmel an seine Seite, bevor Mama und ich uns womöglich an die Gurgel gehen. »Ich liefere Miriam nachher wieder unversehrt und gutgelaunt ab, Frau Behrens.«
Meine Mutter nickt nur perplex.
Ohne auf mein Zetern und Zerren zu achten, schiebt David mich vor sich her die Straße hinunter.
Ich überlege ernsthaft, zu kratzen und zu beißen, damit der Mistkerl mich loslässt. Aber höchstwahrscheinlich würde ihm das lediglich ein Lachen entlocken. David bin ich körperlich hoffnungslos unterlegen. Trotz mehr Schokolade auf den Hüften.
Bockig schiebe ich die Unterlippe vor. Sobald wir außer Sichtweite meiner Mutter sind, wird der Kerl sein blaues Wunder erleben!
Als wir am Ende der Straße um die Ecke biegen, lockert David endlich den Griff um meine Arme. Ich reiße mich von ihm los und funkele ihn an.
»Tickst du noch ganz richtig?«
David vergräbt die Hände in den Taschen seiner Jeans und guckt mich an, als ob wir uns über das Wetter fürs Wochenende unterhalten würden. »Es erschien mir zu riskant, wenn du meine Schwiegermutter auf offener Straße erdolcht hättest.«
»Deine Schwie–« Mir klappt der Mund auf. Dann kreische ich los und hopse auf der Stelle wie ein explodiertes Duracell-Häschen.
Ich glaube, ich bin im falschen Film!
»Du kannst mir später dafür danken, Prinzessin.«
Das verschlägt mir tatsächlich die Sprache.
»Und nun lass uns essen gehen. Ich sterbe vor Hunger.«
Fassungslos starre ich David an. Ich möchte ihm sein selbstgerechtes Grinsen soooooo gerne von den Lippen kratzen.
»Ich werde mit dir nirgendwohin gehen!« Der Kerl hat sie ja wohl nicht mehr alle. Ich lasse mich doch nicht kidnappen und zum Essen nötigen. Wir sind hier schließlich nicht im Dschungel. Nix da ich Tarzan, du Jane!
»Aber sicher. Oder willst du riskieren, deine Inszenierung auffliegen zu lassen?«
15
Das Seemannsgarn am Alten Hafen platzt aus allen Nähten. Der einstige Geheimtipp hat sich im Laufe der Zeit zu einem beliebten Treffpunkt für Einheimische und Touristen gemausert. Trotz oder gerade wegen der leicht kitschigen Inneneinrichtung. Die Wände sind in Blau- und Seegrüntönen gestrichen, an der Decke hängen Fischernetze mit Muscheln und Plastikfischen, und links vom Eingang liegt, auf Seesand drapiert, ein alter Angelkahn.
David und ich müssen uns zwischen Tischen und Stühlen hindurchschlängeln, um zur Theke zu gelangen. Die Häuser in der Hafengegend wurden früher oft sehr schmal gebaut, besitzen dafür jedoch eine enorme Tiefe, die mich jedes Mal aufs Neue verblüfft. Einige Häuser wirken fast wie Tunnel mit ungeheuer viel Platz nach hinten hinaus, den man von außen kaum vermuten würde.
»Lässt du dich
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