Zuckerguss (German Edition)
bin.«
»Publicity.« Er klingt wie ein gerissener PR -Manager, der sein neuestes Pferd im Stall über Nacht berühmt machen will. »Wenn uns möglichst viele Leute zusammen sehen, kann das nur gut für die Glaubwürdigkeit unserer Beziehung sein.«
Ich verdrehe die Augen zum Himmel. Glaubt er den Quatsch eigentlich wirklich?
Nun gut, es gibt bedeutend Schlimmeres, als seinen Freitagabend mit einem unglaublich gutaussehenden Mann auf dem Hafenfest zu verbringen und so zu tun, als ob man wahnsinnig verliebt in ihn wäre. Dass David diese Farce hingegen weiter bereitwillig mitspielt, mich zwecks besserer »Glaubwürdigkeit« sogar auf das Hafenfest schleppt, ist mir allerdings nach wie vor nicht sonderlich geheuer.
»Sieh mal einer an, das Traumpaar von Wismar gibt sich die Ehre.«
»Was machst du denn hier?«, knirsche ich, die Kiefer fest aufeinandergepresst. Ich bin nicht wirklich überrascht, Olli zu sehen, aber ich hatte in meiner Naivität gehofft, dass mir wenigstens dieses Zusammentreffen erspart bleibt. Karma is a bitch!
»Ich kann mir dieses Spektakel doch nicht entgehen lassen.« Ob Olli damit das Hafenfest oder David und mein öffentliches Coming-out meint, ist nicht ersichtlich. Aber ich kann es mir denken, so dämlich, wie er grinst. Verräter!
»Genau meine Worte«, stimmt David in den Kanon mit ein. Er legt seinen Arm besitzergreifend um meine biergetränkte Schulter und glotzt mich an wie ein verliebter Pudel.
»Miriam muss manchmal zu ihrem Glück gezwungen werden«, kommentiert Olli nüchtern, der Schalk blitzt in seinen Pupillen.
»Den Eindruck habe ich auch.«
»Ich weiß noch, wie sie sich wochenlang geweigert hat, Spinat zu probieren, weil die grüne Farbe sie an den Spielzeugschleim von Alexander erinnerte, den er ihr eines Abends ins Bett gelegt hatte. Meine Mutter ließ aber nicht locker, sie kann sehr überzeugend sein. Heute gehört Spaghetti mit Spinatsoße zu Miriams Leibgerichten.«
Um Davids Mundwinkel zuckt es verräterisch, aber er verzieht keine Miene. »Die Geschichte hat sie mir nie erzählt.«
Halloooo? »SIE steht direkt neben euch!« Entrüstet stemme ich die Hände in die Hüften und wippe herausfordernd auf den Ballen, um mich größer zu machen. »Wir sprechen uns noch!«
Meine Drohung entlockt Olli ein amüsiertes Glucksen.
Ich kneife die Augen zusammen, hole tief Luft und will zu einem Rundumschlag ansetzen, als ich Davids Hand an meiner spüre. Seine Finger streichen beruhigend über meine geballte Faust. Automatisch lockere ich meine Hand, lasse es zu, dass er mit dem Daumen über die Innenseite fährt. Ich lehne mich an ihn, seine Wärme durchströmt mich. Mein Puls schaltet runter, ich entspanne mich.
Olli seufzt dramatisch. »Muss Liebe schön sein.«
»Neidisch?«, erwidere ich spitz.
»Wieso sollte ich?«
»Weil du es vielleicht selber nicht auf die Reihe mit Lissy kriegst?« Erschrocken halte ich mir die Hand vor den Mund. Olli starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an, David zieht hörbar die Luft ein. Shit! Das hätte ich wohl besser nicht ausgeplappert. »Tut mir leid, Olli. Das wollte ich nicht«, wispere ich kleinlaut. Warum kann ich nicht einmal meine Klappe halten?
»Lissy? DIE Lissy?« In Davids Kopf rattert es hörbar.
Olli ist puterrot im Gesicht, was fast niedlich aussieht. Händeringend suche ich nach einem Ausweg, wie ich ihn aus dieser peinlichen Lage befreien kann. Mein Blick fällt auf das Riesenrad.
»Komm, lass uns eine Runde im Riesenrad fahren. Von dort hat man bestimmt einen tollen Ausblick.«
David runzelt die Stirn. »Riesenrad? Jetzt?«
»Sicher«, sage ich im Brustton der Überzeugung, gekonnt meine Nervosität überspielend. »Das wollte ich schon immer mal machen.« Ich strecke beide Daumen in die Höhe und grinse debil.
»Äh, okay«, zögert David. Begeisterung sieht anders aus, aber egal. Da muss er durch, ebenso wie ich.
Entschlossen ergreife ich Davids Hand und ziehe ihn hinter mir her, bevor mich am Ende der Mut verlässt.
Ich überhöre daher auch Ollis verunsicherten Aufschrei: »Aber Miriam, du hast doch Höhenangst!«
Die Gondel setzt sich langsam in Bewegung und gewinnt stetig an Höhe. Ich mache mich ganz klein und versuche, meine Atmung zu kontrollieren. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Alles halb so wild. Höhenangst? Ich? Pah, so ein Quatsch!
Wagemutig riskiere ich einen Blick nach unten. Fehler, gaaaanz großer Fehler! Beim Anblick der schwarzen Tiefe unter mir stockt mir der Atem.
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