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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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ein. Ich überfliege den Artikel, den Olli für die Zeitung verfasst hat, kann aber nichts Auffälliges entdecken. Gerade will ich meine Mutter fragen, was sie gemeint hat, als ich es sehe. Unter dem ausführlichen Bericht sind drei weitere kleinere Fotos abgedruckt. Wie benommen starre ich auf das Bild in der Mitte, das David und mich eng umschlungen in der Gondel des Riesenrads zeigt. Mit offenem Mund lese ich die Bildunterschrift dazu durch: »Auch ein kurzzeitiger Stromausfall konnte die Stimmung für diese beiden Verliebten nicht mindern.«
    Was zum Teufel …?
    »Ein hübsches Bild, nicht wahr?« Mama hat bereits die Schere in der Hand und beginnt das Foto auszuschneiden.
    »Ich bringe ihn um!«
    » MIRIAM !« Meine Mutter lässt entsetzt die Schere sinken.
    »Ich bringe ihn um!«, wiederhole ich bebend vor Zorn, die Hände so stark zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervortreten.
    Ich bin stinksauer. Auf dreitausend. Am liebsten würde ich die Küche zu Kleinholz zerlegen, um meiner Wut halbwegs Einhalt zu gebieten. Was bildet sich der Kerl eigentlich ein? Was denkt er sich dabei? Und das nennt sich bester Freund. Pah, dass ich nicht lache!
    »Findest du nicht, dass du maßlos überreagierst wegen dieser Lappalie?«, fragt meine Mutter. Sie klingt so mütterlich-vernünftig, dass ich schreien möchte. »Es ist schließlich kein Beinbruch, dass David und du nicht extra namentlich erwähnt werdet. Bestimmt reichte der Platz dafür nicht mehr aus.«
    Ich vergrabe meinen Kopf in den Händen. Meine Mutter nimmt allen Ernstes an, ich würde mich wegen zwei fehlender Namen aufregen? Unglaublich! Für einen kurzen Augenblick bilde ich mir tatsächlich ein, dass sie einen Scherz gemacht hat, und möchte hysterisch auflachen. Ihr enervierter Gesichtsausdruck belehrt mich eines Besseren.
    »Ist doch nett von Oliver, dass er das Foto mit euch beiden hat abdrucken lassen.«
    » Nett? « Ich speie das Wort förmlich aus.
    Sie seufzt. »Ich verstehe nicht, wieso du dich aufregst. Jede andere wäre glücklich über ihr Bild in der Zeitung.«
    Jede andere spielt ihren Eltern auch keine Beziehung mit einem bekannten Wismarer Fotografen vor! Und als wäre das nicht schlimm genug, ist das Beweisfoto der glücklichen Liebe nun auch noch in der verdammten Zeitung, die von schätzungsweise drei Viertel aller Wismarer gelesen wird. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!
    »Hast du nicht eigentlich Höhenangst?«, erkundigt sich meine Mutter plötzlich und betrachtet das ausgeschnittene Foto genauer.
    »Ja«, gestehe ich zähneknirschend. Ich möchte ihr das dämliche Bild am liebsten aus den Fingern reißen und es in tausend Einzelteile zerfetzen.
    »Und dann fährst du ausgerechnet Riesenrad?«
    »Das ist eine lange Geschichte, frag lieber nicht.« Allein aus diesem Grund werde ich mit Olli ein ernstes Wörtchen reden.
    Meine Mutter verkneift sich ein wissendes Lächeln.
    An einem Samstag ist die Lokalredaktion bis auf den diensthabenden Redakteur wie ausgestorben. Und den anzutreffen ist nicht ganz einfach. Aber ich habe Glück, oder besser gesagt, ich habe vorher angerufen und mich erkundigt, ob Oliver Wegener im Hause ist. Ist er, wie mir die Empfangsdame leicht säuerlich mitgeteilt hat. Garantiert habe ich sie beim Studieren ihrer Klatschzeitung gestört, denn als ich eine halbe Stunde später vor ihr stehe, hat sich ihre Laune kein bisschen gebessert.
    »Herr Wegener ist im Archiv«, teilt sie mir überheblich mit. »Warten Sie bitte hier.« Sie zeigt auf eine Sitzgruppe links vom Empfangstresen, bevor sie wieder intensiv auf ihre Computertastatur einhackt, dass mir die Ohren klingeln.
    »Nicht nötig«, erwidere ich liebenswürdig. »Ich warte in seinem Büro.«
    Erhobenen Hauptes stolziere ich an ihr vorbei und lasse Ollis Bürotür mit Genugtuung hinter mir ins Schloss fallen.
    Keine fünf Minuten später steht Olli vor mir, in der einen Hand einen Aktenordner, in der anderen einen Becher Kaffee. Er blinzelt verblüfft, als er mich in seinem Schreibtischstuhl sitzen sieht, dann grinst er breit.
    »Hast du es dir mit dem Job anders überlegt?«, begrüßt er mich und hält mir seinen Kaffeebecher hin.
    Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Willst du mich bestechen?«
    »Bestechen? Weswegen?«
    »Fragst du das ernsthaft?«
    »Ah, ich verstehe. Du hast das Foto gesehen.« Er besitzt die Frechheit zu lachen.
    Das bringt mich erst recht in Fahrt. »In der Tat. Kannst du mir bitte erklären, was du dir dabei gedacht

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