Zuckerguss (German Edition)
tätschele ich Alex’ Schulter, ich muss mir auf die Zunge beißen, um nicht zu sagen, dass er besser gleich auf mich gehört hätte, was dieses Weibsstück angeht.
»Egal, alles halb so wild, ist ja nicht so, dass ich unsterblich in sie verliebt war«, winkt er ab. Ein Glück, ich höre mich erleichtert aufatmen. Alex grinst.
»Was machen wir nun damit?« Bedauernd schaue ich auf die Berge von Kuchen und Torten, die ich mit solcher Inbrunst gebacken habe und die verführerisch duften. »Das kann ich nicht alles alleine aufessen«, seufze ich.
»Was hältst du davon, wenn wir sie in der Bäckerei verkaufen?«, schlägt Alex vor. »Samstagnachmittag brennt dort normalerweise die Hütte, da finden deine Kreationen garantiert reißenden Absatz.«
»Ich weiß nicht.« Ehrlich gesagt halte ich die Idee für alles andere als gelungen. Mein Vater ist mit Sicherheit von dieser »Sonderaktion«, wie Alex sie gerade in leuchtenden Farben beschreibt, nicht sonderlich begeistert. Was ich irgendwie verstehen kann. Die Bäckerei wollte die verzogene Tochter nicht übernehmen, aber ihren Kuchen dort verkaufen, das will sie wieder.
»Das wird bestimmt toll!«, beruhigt mein Bruder mich mit einer saloppen Handbewegung, als er meinen zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkt.
»Meinst du wirklich?«
»Klar.«
»Na, wenn du das sagst«, gebe ich mich geschlagen und ignoriere das ungute Gefühl in meiner Magengegend. Wird schon schiefgehen, schließlich bin ich katastrophenerprobt und neuerdings eine Granate, was das Improvisieren angeht. Wenigstens habe ich meinen Galgenhumor noch nicht verloren, denke ich grimmig, als ich mit einem Kuchenblech bewaffnet hinter Alex her in den Verkaufsraum trotte.
Kurz vor Ladenschluss ist der gesamte Kuchenvorrat fast komplett verkauft. Alex hat recht behalten. An einem Samstagnachmittag zur besten Kaffeezeit brummt der Laden wie ein Bienenstock. Ich musste Regine sogar beim Verkaufen aushelfen, weil der Kundenansturm größer war als an normalen Samstagen. Also, als keine Miriam Behrens hinter der Ladentheke stand und ganz Wismar brennend wissen wollte, wie es mit ihr und David Vahrenberg in Zukunft weitergehen würde.
Komischerweise störte mich die Ausfragerei bezüglich Hochzeit, Heimkehr und Kindern heute kaum. Ich war stolz, dass mein Kuchen wegging wie geschnitten Brot, der übliche Tratsch ging mir gekonnt am Hintern vorbei. Was sollte ich den Leuten auch groß erzählen, das sie noch nicht wussten? Viele hatten heute früh das Beweisfoto des »glücklichen Traumpaares« im Wismarer Tageblatt gesehen – viel mehr gab es nicht hinzuzufügen. Ich beschränkte mich daher aufs Lächeln und Nicken und hüllte mich ansonsten in Schweigen.
Mit Eimer und Feudel im Schlepptau fange ich nun an, im Laden Klarschiff zu machen. Regine ist vor einer Viertelstunde bereits gegangen. Sie sah dermaßen geschafft aus, dass ich ihr angeboten habe, das Putzen zu übernehmen und den Laden abzuschließen.
Nachdem ich die Fliesen gewischt habe, säubere ich die Brotregale und kippe die Brötchenkrümel in den Abfalleimer. Ich will mich gerade der Ladentheke widmen, als die Tür zum Kontor aufgeht und mein Vater in der Tür steht.
»Was machst du denn hier?«
»Aufräumen, wie du siehst.« Ich wringe den Lappen aus und beginne die Glasfront von den Fingerabdrücken zu reinigen.
»Aha«, meint mein Vater wenig aufschlussreich. Die Überraschung steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Selten habe ich ihn sprachlos erlebt. »Und … und wo ist Regine?«
»Schon gegangen, die Arme sah völlig fertig aus.«
Er nickt. »Na schön, dann werde ich mich um die Abrechnung kümmern«, sagt er mit einem tiefen Seufzer und fährt sich mit der Hand über das müde Gesicht.
»Warum lässt du Alex nicht die Buchhaltung übernehmen?«
»So weit kommt das noch!«, entrüstet sich mein Vater. »Noch bin ich in der Lage, meine Bücher selber zu führen.«
»War ja nur ein Vorschlag«, rudere ich eilig zurück, denn die Gesichtsfarbe meines Vaters hat einen verdächtigen Rotstich bekommen. »Ich finde, du solltest Alex mehr Verantwortung übertragen«, kann ich mir trotzdem nicht verkneifen zu sagen.
Papas Halsader pumpt verdächtig. »So, findest du? Ich werde dir mal was sagen, Fräulein: Wie ich die Bäckerei führe, überlass bitte mir. Du hast dich vor Jahren nicht um den Laden geschert, also wage es nicht, dich nun in Dinge einzumischen, von denen du erstens keine
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