Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
Vom Netzwerk:
Ahnung hast und die dich zweitens nichts mehr angehen!«
    »Warum willst du mich eigentlich nicht verstehen?«, frage ich erschöpft und lehne mich mit beiden Armen gegen die Theke. »Langsam solltest auch du begreifen, dass ich die Bäckerei nicht will und nie wollte. Aber Alex, Alex würde sie gerne übernehmen, weil ihm der Job Spaß macht. Doch statt dich darüber zu freuen, führst du dich ihm gegenüber auf, als ob er nicht eins und eins zusammenzählen könnte. Wenn du so weitermachst wie bisher, wird Alex eines Tages alles hinschmeißen, das garantiere ich dir!«
    »Das muss ich mir von dir nicht anhören!« Mit hochrotem Kopf, die Tageseinnahmen unter den Arm geklemmt, verschwindet mein Vater türenknallend im Kontor.
    Eine ganze Weile starre ich die geschlossene Tür an, darauf hoffend, dass mein Vater zurückkommt und wir in Ruhe über alles reden können. Aber die Tür bleibt zu.
    Ich schließe die Augen, atme ruhig ein und aus und lasse mich an der Glastheke hinab auf mein Hinterteil rutschen. Den Kopf zwischen den Knien vergraben, bin ich nahe dran, hemmungslos loszuheulen. Warum will er mich nicht verstehen? Warum endet jedes unserer Gespräche im Streit? Warum, warum, warum?
    »Ist nicht gut gelaufen, wie?«
    Ich blicke auf, schüttele den Kopf.
    »Ach, Miriam«, seufzt Alex. Er setzt sich neben mir auf den Boden, seine Hand streicht tröstend über mein Haar. »Du kennst Papa.«
    »Ich begreife nicht, warum er mir nicht verzeihen kann, dass ich seine verdammte Bäckerei nicht will.«
    »Papa ist enttäuscht«, wirft Alex nüchtern ein.
    »Enttäuscht, enttäuscht«, rege ich mich erbost auf, »wenn er niemanden hätte, der die Bäckerei weiterführt, okay, dann könnte ich seinen Groll verstehen. Aber Papa hat dich, und statt darüber froh zu sein, hält er dir vor, dass du die Firma zweifellos in den Ruin treiben wirst, und mir, dass ich mich vor der Verantwortung drücke.«
    »Er hat eben jahrelang damit gerechnet, dass du den Laden fortführst. Du warst die designierte Nachfolgerin, mit den besten Voraussetzungen gesegnet, eigentlich schien alles klar, und plötzlich wirfst du von heute auf morgen das Handtuch. Papas heile Welt ist schlicht zusammengebrochen.«
    »Musst du ihn auch noch verteidigen?«, blaffe ich meinen Bruder an und rutsche unweigerlich ein Stück von ihm weg, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Ich verteidige ihn keineswegs, Schwesterherz. Aber du musst ihn verstehen. Die Enttäuschung, dass du von Bäckerin ausgerechnet auf Geistes- und Sozialwissenschaften umgesattelt hast, sitzt tief. Eines Tages wird er sich mit deiner Entscheidung abfinden – hoffe ich zumindest«, fügt Alex mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck hinzu.
    »Ich will ja mit ihm reden«, beteuere ich ernst, »aber du hast selbst mitbekommen, wie phantastisch unser Gespräch gelaufen ist.«
    »Gib ihm Zeit«, meint mein Bruder lapidar.
    Zeit. Zeit! ZEIT ? Papa hat fünf Jahre Zeit gehabt, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass nicht ich, sondern Alex seine Nachfolge antreten wird. Sechs, wenn ich die zwei Semester BWL hinzurechne. Meiner Meinung nach ist das genügend Zeit, um sich damit zu arrangieren, dass das Leben der Kinder eben nicht immer wie von den Eltern geplant abläuft. Wie sagte einst John Lennon: »Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.«
    Als Alex sich erheben will, halte ich ihn am Ärmel zurück. »Danke, dass du Papa nichts wegen dem Kuchenverkauf gesagt hast.« Nicht auszudenken, was dann los gewesen wäre.
    »Ehrensache«, sagt Alex. »Aber du solltest dich mit Papa aussprechen, so kann es nicht weitergehen. Vielleicht wäre diese Aktion ein guter Ansatzpunkt.«
    Ich werfe meinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. »Träum weiter!«
    Er zuckt mit den Achseln. »Spätestens wenn Papa die Abrechnung macht, wird er sich über die zusätzlichen Einnahmen wundern. Rede mit ihm!«, beschwört Alex mich eindringlich.
    Seine Bitte stößt auf taube Ohren. Sehe ich aus, als ob ich wahnsinnig wäre? Mein Vater hat momentan eine solch hohe Meinung von mir, da wird er mit Sicherheit richtig begeistert sein, wenn er erfährt, woher das zusätzliche Geld stammt.
    Ach, soll Papa denken, was er will! Mich wird er schon nicht danach fragen, die letzten Tage hat er nur das Nötigste mit mir gesprochen und mich ansonsten mit Nichtbeachtung bestraft. Überflüssig zu erwähnen, dass Mama die anhaltende schlechte Stimmung zwischen Papa und mir gehörig

Weitere Kostenlose Bücher