Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
Vom Netzwerk:
runzelt die Stirn.
    Ich verdrehe die Augen. » Das ist eine längere Geschichte.«
    Lissy setzt sich aufrecht hin, spitzt die Ohren. »Ich habe Zeit.«
    Das habe ich befürchtet.
    »Und als mich das Sinologie-Studium nur noch gelangweilt hat, schmiss ich nach dem vierten Semester kurzerhand die Uni«, erzählt Lissy und nimmt einen Schluck Rotwein. »Danach habe ich bestimmt ein Dutzend Praktika absolviert und mich für mindestens hundert weitere beworben. Generation Praktikum, ich war mittendrin in diesem Teufelskreis. Leider bezahlt sich die Miete nicht von allein, also hielt ich mich mit allerlei Gelegenheitsjobs über Wasser, aber auf Dauer ist das natürlich nicht das Gelbe vom Ei. Um meine Eltern zu beruhigen – sie sahen mich bereits unter einer Brücke hausen –, zog ich nach Wismar zurück und begann widerstrebend eine Ausbildung. Eine Entscheidung, über die ich heute froh und dankbar bin.«
    »Bewundernswert«, bemerke ich abwesend, während ich in den Tagliatelle con spinaci e gorgonzola herumstochere.
    Nachdem ich den Laden eilig zu Ende aufgeräumt hatte, lud Lissy mich ins Roma ein, eine italienische Trattoria direkt am Marktplatz. Jetzt im Sommer sind einige Tische und Stühle auf dem Platz vor dem Restaurant aufgebaut, zum Schutz gegen Sonne und Regen ist darüber eine Markise in den italienischen Landesfarben gespannt. Zwei kleine Olivenbäume in Holzkübeln säumen den Eingang, aus den Lautsprechern erklingt Eros Ramazzotti. Die salzige Meeresbrise mischt sich mit dem würzigen Aroma der Rosmarinzweige aus dem hübschen Tischgesteck. Bella Italia mitten in Wismar.
    »Hast du keinen Hunger?« Lissy schaut besorgt auf meinen Teller mit Nudeln, die ich kaum angerührt habe.
    »Ich schätze, mir ist der Appetit vergangen«, murmele ich und lege das Besteck zur Seite.
    »Ist es, weil ich unbedingt wissen will, wieso du noch in Wismar bist?«, fragt Lissy mit schuldbewusster Miene. Sie sieht mit einem Mal furchtbar zerknirscht aus.
    »Nein, das ist es nicht.« Ich schüttele den Kopf. Lissy atmet erleichtert auf. »Aber du hast mir eben deutlich vor Augen geführt, was für eine Versagerin ich bin.«
    Lissy klappt der Mund auf, mit großen Augen guckt sie mich an, dann bricht sie in schallendes Gelächter aus. »Versagerin? Du? Der Witz war gut, Behrens, ehrlich!« Sie bekommt sich gar nicht mehr ein vor Lachen, die anderen Gäste werfen bereits irritierte Blick zu uns herüber.
    »Was ist so komisch?«, will ich wissen, die Arme trotzig vor der Brust verschränkt.
    »Wenn jemand eine Versagerin ist, dann ja wohl ich«, kommt es gurgelnd von Lissy, die mit einem neuerlichen Lachanfall kämpft. »Mit fast dreißig irgendeine Ausbildung anzufangen, weil man nicht weiß, was man sonst mit seinem Leben anfangen soll, ist mehr als erbärmlich.«
    »Aber im Gegensatz zu mir kannst du nach drei Jahren eine qualifizierte Berufsausbildung vorweisen und direkt in den Arbeitsmarkt einsteigen«, werfe ich resigniert ein. »Da kann ich meinen Vater sogar verstehen, dass er mir seit Jahren vorwirft, ich kriege nichts gebacken.« Gebacken, ha, welch Ironie!
    »Äh, jetzt bin ich verwirrt«, gesteht Lissy.
    »Das ist ganz leicht, meine berufliche Zukunft ist ein Desaster. Abgebrochene Bäckerlehre, abgebrochenes BWL -Studium, aus Protest zweites Studium, um meinem Vater eins reinzuwürgen«, leiere ich herunter und berichte Lissy schonungslos, dass ich meine Eltern in dem Glauben lasse, groß Karriere zu machen, obwohl ich immer noch an der Uni hocke. Und dass ich keinen Plan habe, welchen beruflichen Weg ich nach meinem Abschluss einschlagen soll.
    Lissy hört atemlos zu, wiegt staunend den Kopf hin und her. Dann trinkt sie ihr Glas Wein in einem Zug leer und sagt schließlich: »Heilige Scheiße!«
    »Du sagst es.«
    »Und was willst du nun tun?«
    »Pfff, natürlich weiterhin die supererfolgreiche Karrierefrau spielen.«
    Meine beste Freundin kräuselt die Nase. »Hältst du das für eine gute Idee?«, wagt sie einzuwenden und hebt sofort beschwichtigend die Hände, als sie meinen vernichtenden Blick bemerkt. »Was ist denn zum Beispiel mit dem Schreiben? Wäre die Arbeit bei einer Tageszeitung nicht eine Option für später?«
    »Hat Olli wieder geplappert?«
    Lissy pustet ihren etwas zu lang geratenen Pony aus dem Gesicht. »Er hat was angedeut–«
    »Na toll!«, falle ich ihr ins Wort. »Darüber kann er mit dir reden, aber ansonsten bekommt er den Mund nicht auf, was euch betrifft!« Ich bin stocksauer, am

Weitere Kostenlose Bücher